Jesus


 

Die Prophetie Benedikts XVI. und der Weg in die Zukunft




Der Abschluss des Priesterjahres – einer der Höhepunkte im Leben der Kirche 2010. Von Armin Schwibach.


2010 – so eine oft gerade auch in diesen Tagen der Weihnachtsoktav gehörte Meinung, während das Ende des Jahres näher rückt und die Zeit der Bilanzen angesagt ist – sei „annus horribilis“, ein schreckliches Jahr für die Kirche gewesen. Wer in den ersten Monaten die Entwicklung des Missbrauchsskandals beobachtete, hatte oft den Eindruck, dass sich Kirche auf Unterdrückung, Gewalt und sexuelle Perversionen reduzieren lässt: „Es gebe, so hieß es wie aus der Pistole geschossen, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen katholischer Sexuallehre, Zölibat und Missbrauch“. Aber: „In den Hintergrund geriet, dass es in nicht-katholischen Einrichtungen ähnliche Vorfälle gab. Aus dem Mitarbeiterkreis der katholischen Kirche, so der Kriminologe Christian Pfeiffer, kämen etwa 0,1 Prozent der Missbrauchstäter; 99,9 Prozent stammten aus anderen Bereichen. In den USA liegt nach einem US-Regierungsbericht für das Jahr 2008 der Anteil der Priester, die in Pädophilie-Fälle verwickelt waren, bei 0,03 Prozent. Die protestantische Publikation ‚Christian Science Monitor’ veröffentlichte eine Studie, der zufolge die protestantischen Kirchen Amerikas in einem weit höheren Anteil von Pädophilie betroffen sind“. So weit Peter Seewald in seinem Interviewbuch mit Papst Benedikt XVI. „Licht der Welt“ (S. 48).

Doch war das Jahr 2010 in der Tat nur ein „annus horribilis“? Zweifellos, die Wucht des Missbrauchsskandals ließt trotz seines zahlenmäßig geringen Umfangs der darin verwickelten Kleriker vieles andere in den Hintergrund treten. Hätte es sich auch nur um einen gehandelt, so wäre dies bereits einer zu viel gewesen, so hätte dies bereits ein Opfer zu viel gefordert. Das Leben der Kirche, die Dringlichkeit der Erneuerung, Reinigung und Buße, der Weg, den der Papst in die Zukunft weist, können und dürfen jedoch nicht durch das Verbrechen einiger verdunkelt werden.

Im Juni 2010 fand das Priesterjahr seinen Abschluss. Benedikt XVI. hatte die Priester gerufen, zu einer Zeit noch, als die dramatischen und tragischen Entwicklungen in der Kirche, die durch das sichtbar gewordene „skandalon“ des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Mitglieder des Klerus noch nicht in der Wucht abzusehen gewesen waren, wie dies dann der Verlauf der Geschichte gezeigt hatte. Der Papst hatte sie gerufen, und über 15.000 waren gekommen, in einer Zahl, die alle ursprünglichen Erwartungen übertraf (und für die zuständige Kongregation für den Klerus keine geringe Herausforderung darstellte). Der Papst hatte gerufen, und die Priester antworteten mit einem überzeugten „cum et sub Petro“, denn allein der Papst und Stellvertreter Christi ist der unerschütterliche Fels der Kirche, der jede Brandung aushalten muss und es dabei nicht versäumt, das schwankende Schiff der Kirche durch die hohen Wasser zu steuern.

Der Papst und die Priester – das Bild schlechthin für die Einheit der Kirche, das fügsame Hören, den aufrechten und nie abzubrechenden Dialog. Nicht von dieser Welt sollen die Diener Gottes sein, denn nur, wenn dies der Fall ist, können sie in der Welt und für das Heil der Menschen wirken. Der Priester ist das hohe Geschenk Christi an sein Volk, ist es doch der Priester, der ihn den Menschen bringt, ist es doch der Priester, der das Eingangstor zum strengen Weg der Buße hinein in den Raum der göttlichen Barmherzigkeit ist. Ohne den Priester – gäbe es keine Eucharistie, also auch keine Kirche. Ohne den Priester – wäre eine Kirche nur ein soziales Konstrukt unter anderen, das sich im Horizont der Welt verlieren würde, ohne je des Gipfels des Einzigen Hohenpriesters teilhaftig werden zu können. Der Priester trägt das unauslöschliche Mal Gottes in seinem Sein und ist aus diesem Grund dem Menschen am Nächsten.

Gerade deshalb war es für Benedikt XVI. umso leidvoller, dass das Jahr, das er für eine Reinigung, Erneuerung und Rückbesinnung der geweihten Dieners Gottes auf das Wesen ihrer Sendung im Licht der heiligen Gestalt Jean-Marie Vianneys für das Heil der Kirche gedacht hatte, zu einer Zeit der Finsternis wurde, in der die Sünde, die in der Kirche ist, am deutlichsten hervorgetreten ist, als da viele Hirten wie reißende Wölfe über ihre Herde gekommen waren. Und der Papst zögerte nicht, das „schreckliche Wort“ auszusprechen: Die Sünde in der Kirche ist die Ursache für die größte Verfolgung der Kirche, der gegenüber die Verfolgung durch äußere Feinde gleichsam verdunstet. Gerade darum hält Benedikt XVI. die unausweichliche Notwendigkeit fest, dass die Kirche „neu lernt, Buße zu tun, die Reinigung anzunehmen; dass sie einerseits zu vergeben lernt, aber auch die Notwendigkeit der Gerechtigkeit sieht; denn Vergebung ersetzt die Gerechtigkeit nicht. Mit einem Wort, wir müssen gerade das Wesentliche neu lernen: die Umkehr, das Gebet, die Buße und die göttlichen Tugenden“ (Gespräch mit den Journalisten auf dem Flug nach Malta, 11.5.2010).

„Man könnte nun meinen, der Teufel konnte das Priesterjahr nicht leiden und hat uns daher den Schmutz ins Gesicht geworfen“, so Benedikt XVI. in „Licht der Welt (S. 52). „Als hätte er der Welt zeigen wollen, wie viel Schmutz es gerade auch unter den Priestern gibt. Andererseits könnte man sagen, der Herr wollte uns prüfen und uns zu einer tieferen Reinigung rufen, so dass wir das Priesterjahr nicht triumphalistisch begehen, als Selbstrühmung, sondern als Jahr der Reinigung, der inneren Erneuerung, der Verwandlung und vor allem der Buße.“

Benedikt XVI. hat nicht gezögert, besonders im Priesterjahr das Kreuz auf sich zu nehmen, das durch die Sünde derer verursacht wurde, die ihr Priestertum verraten haben. Denn der Papst weiß, dass das Böse immer sprungbereit ist und versucht, an die Stelle der Sichtbarkeit des Guten zu treten. Er weiß aber auch, dass das Böse das Gute nicht vernichtet, dass das Gute immer gegenwärtig ist und Gott letztendlich den Sieg über das Böse schon verwirklicht hat: Der Kopf der Schlange ist zertreten, auch wenn deren Gift das Gewebe der Welt durchdringt und es abzutöten versucht.

Das Priesterjahr hat das Wesen des Christseins prophetisch ins Licht gestellt. Die Prophetie Benedikts XVI. war in die Welt eingetreten und es war nicht abzusehen, von welcher Bedeutung sie sein wird. Erst die Ereignisse haben gezeigt, wie das von der Vorsehung bestimmte Handeln des Papstes zum Quell einer wahren Erneuerung, zum Grundstein einer Reform der Kirche, die von innen kommt, geworden ist und weiterhin als solches wirkt. Bereits in seiner Predigt am 19. Juni 2009 zum Beginn des Priesterjahres hatte der Papst zukunftsweisend bemerkt:

„Sogar unsere Mängel, unsere Grenzen und Schwächen müssen uns zum Herzen Jesu zurückführen. Wenn es nämlich wahr ist, dass die Sünder in der Betrachtung Jesu von ihm den notwendigen ‚Schmerz und die Reue über die Sünden’ lernen müssen, was sie zum Vater zurückführt, so gilt dies noch mehr für die geistlichen Amtsträger. Wie sollte in diesem Zusammenhang vergessen werden, dass nichts die Kirche, den Leib Christi, so sehr leiden lässt wie die Sünden ihrer Hirten, vor allem jener, die sich in ‚Schafsdiebe’ verwandeln (Joh 10,1ff.), entweder weil sie sie mit ihren privaten Lehren vom Weg abbringen, oder weil sie sie mit Schlingen der Sünde und des Todes fesseln? Auch für uns, liebe Priester, gilt die Mahnung zur Umkehr und zur Zuflucht zur Göttlichen Barmherzigkeit, und gleichermaßen müssen wir in Demut die tiefempfundene und unablässige Bitte an das Herz Jesu richten, dass er uns vor der schrecklichen Gefahr bewahre, jenen Schaden zuzufügen, die zu retten unsere Pflicht ist.“

Benedikt XVI. ist ein Reformpapst, der wie zur Zeit der Gregorianischen Reform und der großen Reform nach dem Konzil von Trient weiß, dass die Kirche in dem Moment, indem sie durch die Sünde ihrer Diener verfolgt wird, einer erneuerten inneren Disziplin des Lebens und des Glaubens bedarf: „Die Kirche braucht heilige Priester; Priester, die den Gläubigen helfen, die barmherzige Liebe des Herrn zu erfahren, und die deren überzeugte Zeugen sind“ (19.6.2009). Ein Grundpfeiler der Kirche ist ein gottergebener, tugendhafter, in Christus verliebter und ihn nachahmender Klerus, eine „militia Christi“, deren innersten Kern der heilige Ignatius von Loyola in wenigen Worten zusammengefasst hatte: „Omnia ad maiorem Dei gloriam – alles zur größeren Ehre Gottes“. Diener Gottes, deren höchster Lohn es ist, Christus, dem Wohl der Kirche und so dem Heil der Menschen zu dienen. Diener Gottes, deren einzige Braut die Kirche ist und die so durch das innerste Leben im mystischen Leib Christi dem Höchsten begegnen und es den anderen begegnen lassen.

Der Priester ist der Bräutigam der Kirche. Seine Versprechen des Gehorsams, der Ehelosigkeit und Keuschheit sind kein zu ertragender Zwang, trotz dessen man Priester wäre; sie sind der Seinsgrund der priesterlichen Freiheit, innerhalb derer er Anteil nimmt am einen Priestertum Christi und so die wahre Freiheit in der Wahrheit findet. Da der Priester die höchsten Geschenke Gottes an die Welt in ihrer Geschichte spendet – die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung – kann er keinem anderen Herrn dienen. Paul VI. hatte dazu erklärt: „Ergriffen von Christus (Phil 3,12) und zur Ganzhingabe an ihn geführt, wird der Priester Christus auch in jener Liebe ähnlicher, mit der der Ewige Priester seinen Leib, die Kirche, geliebt und sich ganz für sie hingegeben hat … Die gottgeweihte Jungfräulichkeit der Priester macht in der Tat die jungfräuliche Liebe Christi zu seiner Kirche und zugleich die übernatürliche Fruchtbarkeit dieses Ehebundes sichtbar“ (Sacerdotalis caelibatus, 26).

Nicht umsonst war der Zölibat in diesem Priesterjahr die besondere Zielscheibe, auf die sich einerseits von Hans Küng bis zu „Wir sind Kirche“ die „Altbekannten“, andererseits aber leider auch bestimmte Exponenten der Hierarchie eingeschossen haben und weiter schießen. Der Zölibat ist in einer Welt, die sich fast ausschließlich in der alltäglichen Dimension des Schongewussten und des Säkularen bewegt, ein Skandal, ein „mittelalterliches“ Produkt einer Kirchengesetzgebung, das als solches zu überdenken sei, dies mit dem Ziel, diesen alten und den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr entsprechenden Zopf abzuschneiden. Dass diese Auffassung historisch und theologisch falsch ist, sei dahin gestellt. Heute ist es leider ausreichend, etwas immer wieder auch gegen die Tatsachen zu wiederholen, um es schließlich als wahr erscheinen zu lassen.

Ziel der „Überdenker des Zölibats“ ist es, die Herzmitte der Kirche zu „reformieren“, die das Priestertum ist. Denn nur so wird dann ja auch eine radikale Revolution im Fahrwasser dessen möglich, was in einem demokratischen Konsens als „modern“ und „der Zeit entsprechend“ anerkannt wird – genau das Gegenteil des Ansinnens des Papstes. Es ist somit nicht übertrieben zu behaupten, dass das immergrüne und deshalb Ekel erregend abgekaute Thema der „Zölibatskritik“ Anzeichen für eine Verwahrlosung des Verständnisses von Kirche und des Selbstverständnisses des Priesters und in seiner eindeutig gegen Rom und das Lehramt des Papstes gehenden Richtung Symptom eines schleichenden Schismas ist.

Benedikt XVI. schlägt andere Modelle vor. Der Papst will die Kontinuität in der Diskontinuität, das heißt: Er will nach dem Vorbild des heiligen Pfarrers von Ars einen Priester, der in der Lage ist, aus dem geistlichen Reichtum der Tradition und durch seine Gleichgestaltung mit Christus in der Welt zu sein, da er nicht von der Welt ist und gegen jeden Relativismus der Zeit nur ein Ziel hat: die Verkündigung der Wahrheit Christi, mit Leib und Seele. Da die Keuschheit und Ehelosigkeit Christi nichts zufällig in seinem Erdenleben Vorgekommenes sind, sondern zu seinem Wesen gehören, kann dies allein der absolute Maßstab sein, an dem sich das priesterliche Leben bemisst. Nicht der zölibatäre Priester muss „gerechtfertigt“ werden, sondern der Verzicht auf dieses geistliche, biblisch fundierte und für eine radikale Nachfolge im absoluten Licht der Wahrheit grundlegende Element.

Wer den Zölibat kritisiert, der eine hohe Lebensform nicht des bloßen Verzichts auf etwas, sondern der radikalen Selbsthingabe ist, sollte sich fragen, warum das Reine, das Hohe, das über sich selbst hinausführt, zugunsten des Gewöhnlichen aufgegeben werden soll. Warum sollte das Aufgeben des hohen Anspruchs, der Verzicht auf die Anforderung einer hohen Tugend zur Norm werden? Warum sollte die katholische Kirche auf einen frei angenommenen Schatz verzichten, den sie immer stark verteidigt hatte, während sich die orientalischen und orthodoxen Kirchen sowie die protestantischen kirchlichen Gemeinschaften in dieser Hinsicht einfach als schwächer erwiesen haben? Die Kirche darf sich nicht einem Urteil der Welt unterwerfen. Dies wäre nichts anderes als die Wurzel einer Irrlehre, denn: nicht der Glaube muss sich vor der Welt rechtfertigen. Ein christlicher Glaube, der meint, seine Lehre einer Welt anpassen zu müssen oder zu können, hat das Christliche aufgegeben. Ein „Glaube“, der sich aus der Welt verstehen will, ist der Glaube an den Menschen, der „Glaube“ der großen Apostasie.

Der Weltverfallenheit gegenüber wird es Benedikt XVI. nicht müde, den „heiligen Wert des Zölibats“ aus dem Horizont der Seinszugehörigkeit zu Gott zu betonen. Die Ehelosigkeit und Keuschheit des Priesters sind für den Papst „eine echte prophetische Ankündigung des Reiches, Zeichen der Weihe mit ganzem Herzen an den Herrn und an die ‚Sache des Herrn’, Ausdruck der Selbsthingabe an Gott und an die anderen“. Daher soll der Priester „in seiner Art zu denken, zu sprechen, die Gegebenheiten der Welt zu beurteilen, zu dienen und zu lieben, mit den Menschen auch im Priestergewand in Beziehung zu treten aus seiner sakramentalen Zugehörigkeit, aus seinem tiefsten Wesen prophetische Kraft beziehen“. Es steht für Benedikt XVI. in der besonderen Pflicht des Priesters, „sich der vorherrschenden Mentalität zu entziehen, die dahin tendiert, den Wert des Priesters nicht mit seinem Sein, sondern mit seiner Funktion zu verbinden, wobei das Werk Gottes verkannt wird, das in die tiefe Identität der Person des Priesters einschneidet und ihn sich auf endgültige Weise gleichgestaltet“ (12.3.2010).

Die „tria munera“ als Struktur der Identität des Priesters

Zur Vorbereitung des Abschlusses des Priesterjahres hatte der Papst drei große Katechesen während der traditionellen Generalaudienzen den „tria munera“, den drei Ämtern des Lehrens, des Heiligens und des Leitens gewidmet, die die Präsenz des Priesters in der Welt, sein Wesen und sein Tun prägen, klären, bestimmen und verwirklichen, die innere Gestalt der Kirche sichtbar werden lassen und das Verhältnis des Weihepriestertums zum allgemeinen Priestertum des Volkes Gottes darstellen. Die drei Aufgaben des Priesters ergeben sich nicht aus einer sozial gedachten Struktur der Kirche, die als endliche zur Diskussion stünde und entsprechend der Geschichte beliebig verändert werden könnte. Es ist bezeichnend für die prophetische Kraft der Wortes des Papstes, dass dieses als hoher Ausdruck seines Lehramtes in einem Moment ergeht, da die auf Zerstörung ausgerichteten Kräfte der Welt und das in einigen Vertretern der Kirche waltenden Böse der ewigen Versuchung durch den „Durcheinanderwerfer-Diabolos“ zu herrschen schienen und es somit ermöglichten, auf undifferenzierte Weise „die Kirche“ und ihre Diener in Misskredit zu bringen.

Der Papst zögert nicht, an erster Stelle den Kern des Priestertums in Erinnerung zu rufen. Diese bestimmt sich allein vom eucharistischen Mysterium her, das vollzogen und angebetet wird. Der Priester ist Stellvertreter Christi, sein Handeln ist nicht aus seinem persönlichen Dasein, Wollen und Denken heraus wirksam, sondern allein durch das Handeln Christi, „in persona Christi capitis“, „in persona Christi“. An der Spitze der Pyramide, die die Kirche ist, steht das Wirken, die Verheißung des Heils, das Sühneopfer Christi, das sich sichtbar auf dem Altar vollzieht und deshalb in diesem Moment angebetet werden muss, damit es die Welt als Tat der Liebe schlechthin verändern kann. Bewegt vom ewigen Geist Gottes nimmt Christus in der Verwandlung von Brot und Wein in seinen Leib und in sein Blut das Opfer am Kreuz vorweg und führt so den Menschen radikal in den Liebesvollzug des dreifaltigen Gottes hinein. Hier liegt der Ursprung der drei „Ämter“ des Christus gleichgestalteten Priesters. Die Aufgabe des Lehrens besteht somit nicht darin, besonders „gelehrt“ oder „gescheit“ daherzukommen, eigene Ideen über die Lehre der Kirche zu verbreiten. Es geht vielmehr darum, diese persönlich so zu verinnerlichen, dass an die erste Stelle Christus tritt und das vom ihm Empfangene und von der Kirche Weitergegebene den Menschen angeboten wird. So macht der lehrende Priester „in der Verwirrung und Orientierungslosigkeit unserer Zeit das Licht des Wortes Gottes gegenwärtig“ (vgl. 14.4.2010) und spricht im Namen des gegenwärtigen Christus.

Der Priester heiligt. Wie? Durch die Sakramente, durch die Feier der Liturgie, um den Glauben an die Heilswirksamkeit der Sakramente und an den wirklichen Christus wach zu halten. Der Gottesdienst ist der Mittelpunkt des Lebens der Kirche, das Sakrament ist der Mittelpunkt des Gottesdienstes. Somit ist das Sakrament der Leben spendende Mittelpunkt der Kirche und die Bedingung der Möglichkeit ihres Wirkens in und für die Welt. Heiligen heißt: das allem Handeln des Menschen vorausgehende Handeln Gottes gegenwärtig machen. Vom Altar und vom Beichtstuhl aus fließt die göttliche Kraft in das aufgrund der Sünde bedürftige Herz des Menschen. Daher die Aufforderung, die Benedikt XVI. an die Priester richtet: Feiert würdig das Sakrament der Eucharistie, kehrt in den Beichtstuhl zurück (und man muss heute hinzufügen: Wartet so lange, bis einer kommt, auch wenn es vielleicht lange dauern wird).

Der Priester „leitet“. In einer Zeit, die einer offen beanspruchten Autorität skeptisch gegenübersteht, mag dieses „Amt“ am wenigsten akzeptiert werden. Denkt man dann an die oft zutage tretende Unzulänglichkeit des „Amtsträgers“ – so scheint die Aufgabe der Leitung noch schwerer verständlich zu sein. Und dennoch – oder gerade deshalb: Leitung und Gemeinschaft, Hierarchie und „communio“ sind einander nicht entgegengesetzt. Die „Hierarchie“ ist keine Form der Machtausübung – auch wenn Missbräuche zu diesem Verständnis führen können. Hierarchie heißt aus dem heiligen Ursprung heraus leiten. Nicht die Vollmacht des sich selbst behauptenden Subjekts ist der Sinn des Leitens, sondern die Verwirklichung der Vollmacht, die sich aus der freien Hingabe an den Willen Gottes ergibt. Der leitende Priester dient Gott und damit dem Menschen. Beim Leiten geht es darum, „Christus in den Gläubigen durch jenen Prozess der Heiligung Gestalt annehmen zu lassen, der in der Bekehrung der Maßstäbe, der Werteskala, der Einstellungen besteht, um Christus in jedem Gläubigen leben zu lassen“ (26.5.2010).

„Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden“ (Mk 9,49)

Die Prophetie des Priesterjahres, vor die Benedikt XVI. die Kirche gestellt hatte, muss weiter wirken, um sich immer mehr zu verwirklichen: jenseits des Geschwätzes, der Funktionalisierung, der Vermenschlichung in der Läuterung durch den allein rettenden Geist des einen Gottes, der am Kreuz die radikalste Verwandlung der Geschichte vollzogen und das Kreuz so zum Zeichen der wahren Hoffnung in der durch die Ursünde gezeichneten Welt erhoben hat. Die Welt braucht das Kreuz, sagte Benedikt XVI. während seiner Reise nach Zypern am 5. Juni 2010. Das Kreuz ist für den Papst „nicht bloß ein Mitgliedsabzeichen einer bestimmten Gesellschaftsgruppe, noch hat es im weitesten Sinne zu tun mit dem gewaltsamen Aufzwingen einer Weltanschauung oder einer Philosophie“. Das Kreuz führt in die Wahrheit Gottes hinein, es weiht den, der es auf sich nimmt. Der Priester stellt sein ganzes Dasein unter das Kreuz, an dem das Opferlamm geschlachtet wurde, das so das Heil ermöglicht hat. Ja, das Priesterjahr – hat eigentlich soeben begonnen: als Priesterzeit, als die Zeit, die den Priester braucht, den heiligen Priester, der den Menschen zu Gott führen kann.