Pubertäts-Rache-Filter Der Mensch ist nicht geschaffen (Du musst immer transponieren: auf der Welt per Zufall erschienen), um allein zu leben. Er wird geboren und wächst in einer Familie auf, um sich später mit seiner Person in die Gesellschaft einzugliedern. Er findet sich also von Geburt an in verschiedene Traditionen eingebunden, von denen er nicht nur die Sprache und die kulturelle Bildung, sondern auch vielfältige Wahrheiten empfängt, denen er gleichsam instinktiv glaubt. Persönliches Wachstum und Reifung bringen es jedoch mit sich, daß diese Wahrheiten durch den besonderen Einsatz des kritischen Denkens in Zweifel gezogen und überprüft werden können. Nun gibt es Zeitgenossen, die haben zB. einen sehr autoritären oder einen sehr unverantworlichen Vater gehabt, der von der Bildfläche verschwunden ist. Sie haben viel darunter gelitten. So kommt es vor, dass sie instinktiv die Anschauungen dieses Vaters total ablehnen. Sie sind nicht einmal bereit darüber nachzudenken. Alles was mit dem Andenken an diese Vater-Erfahrung auch nur entfernt zu tun hat, tut weh. Die emotionelle "surcharge" ist einfach zu stark. Alles, was er gedacht und gesagt hat ist notwendigerweise falsch, weil mit Schmerz verbunden. Da ist kein Nachdenken und Abwägen mehr möglich. Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, gibt es nur eine Möglichkeit: man muss sich mit seiner persönlichen Lebens-Geschichte versöhnen, das heisst konkret, den autoritären Vater um Verzeihung bitten. Unmöglich, der hat doch die Schuld! Es ist nicht sehr wirksam zu sagen: lassen wir die Vergangenheit ruhen, oder wenigstens: Schwamm darüber, vergeben und vergessen. Die emotionelle Last ist aus einem Hass heraus gewachsen und jede Erninnerung und/oder Gedankenassoziation bringt den Säuregehalt des Magens in Bewegung. Zudem ist es eine sehr tiefe Angelegenheit. Wer seinen Vater hasst, der kann sich selbst nicht annehmen. Du hasst ja deinen Ursprung, deine Wurzel. Wenn ich also um Verzeihung bitte, dann sage ich nicht dass das, was passiert ist gut war. Keineswegs. Was ich damit ausdrücke ist folgendes: Ich habe in meinem Inneren dem Hass raumgegeben. Das war falsch. Ich bitte dich um Verzeihung, dass ich dich gehasst habe. Als Kind oder Jugendlicher waren meine Reaktionen spontan und unüberlegt. Aber als Erwachsener will ich diese Last nicht mehr tragen. Sie fügt im Grunde nicht dir Schaden zu sondern eigentlich nur mir. Noch einmal. Das heisst nicht, dass das Schlechte jetzt gut ist. Nein. Es gibt welche, die machen aus dieser Sternstunde eine Rache-Stunde. Ich habe gelitten, weil du diese und jenes warst und getan hast. Es wird eine Anklage und Abrechnungs-Stunde. Garantiert bleibt trotz gewisser Satisfaktion der Hass am Leben. Wahrscheinlich wächst er noch mehr. Dem Andern sagen, dass man ihn nicht mehr hassen will heisst, ich nehme meine Geschichte an. Sie hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Ich kämpfe nicht mehr dagegen an, sondern integriere alles positiv in meine Persönlichkeitsstruktur. Man könnte vielleicht sagen: Gut, ich mache reinen Tisch, aber nur in meinem Innern. Ich kann natürlich intim edel sein und im Geheimen meinem Todfeind gegenüber so zu denken versuchen. Es ist aber evident, dass diese Entscheidung viel stärker und effektiver ist, wenn ich meinem Todfeind in die Augen schaue und ihm sage: Verzeih mir. Ich habe dich gehasst. Ich will dich nicht mehr hassen. Auch wenn der Andere Gleichgültigkeit reagiert oder gar mit Ablehnung reagiert, so habe ich dann doch meiner Phantasmagorie endgültig die Kraft genommen. Sie hat keine Macht mehr über mich. Ich habe mich mit meiner Geschichte versöhnt. Ich habe nicht mehr nötig zu hassen, ich kann mich selbst annehmen.
Trotzphasen Filter Und hast du einen Moment nicht aufgepasst, dann wird aus der antireligiöse Rebellen-Milch fester Gewohnheits-Käse und unser Rebellant ist bequemerweise Agnostiker geworden. Dazu kommt noch: Er möchte doch die eine Waffe, die es ihm erlaubt der Autorität ungestraft Paroli bieten zu können, nicht aus der Hand lassen. Man kann in dieser pubertären Rebellion sein Leben lang verharren. Wieviele Atheisten verdanken, ohne es auch zu ahnen, ihre Anti-Weltanschauung ihrer pubertärer Trotzphase. Sie sind Glaubenszwerge geblieben.
|
|