Der Advent ist das Zugehen auf den, der kommt, der Anfang und Ende ist.
Interview mit Andreas Schätzle aus den Amici-News Dezember 2009 über den
Advent und die Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn
AdD.: In diesen Tagen beginnt der Advent. Warum ist der Advent eigentlich
am Beginn des Kirchenjahres?
Andreas Schätzle: Der Advent ist das Zugehen auf den, der kommt, der Anfang und
Ende ist: Jesus Christus im Geheimnis der Inkarnation, der Menschwerdung. „Als
aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau...“ (Gal
4,4) Die jüdisch-christliche Mystik ist davon überzeugt, dass im Anfang in
gewisser Weise schon alles vorhanden ist. So ist der Advent wie eine Türe vom
Kirchenjahr geöffnet, um etwas Neues zu beginnen. Der Advent erinnert uns daran,
wozu wir berufen sind: „Leben in Fülle!“ (Joh 10,10) oder anders gesagt: „Machs
wie Gott: Werde Mensch!“
AdD.: Was bedeutet Ihnen der Advent?
Andreas Schätzle: Mit einem Lied gesagt, auf das ich mich jedes Jahr freue: „Macht
hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!“ „Macht
hoch die Tür!“ - nach wie vor erfreut der Adventkalender in all seinen
Variationen und mit seinen vielen Türen Jung und Alt: Jeden Tag eine
Überraschung, etwas Neues, Vertiefendes, ein Abenteuer. Das englische Wort
adventure, Abenteuer, hat ja die gleiche Wortwurzel wie der Advent. Da trägt der
Adventkalender schon eine tiefe Symbolik. Eine Türe wird geöffnet. Gott kommt
und ist gekommen – und weil der Advent keine Einbahnstraße ist: ich kann ihm
entgegengehen. Wichtig: Gehen muss ich selber! Mir sind neue Möglichkeiten
eröffnet. Es ist Zeit, sie zu verwirklichen!
AdD.: Sollen oder dürfen Katholiken im Advent auf einen Christkindlmarkt
gehen?
Andreas Schätzle: Why not? Ich bin da zwar selten und wenn nur zufällig
unterwegs, aber ich erinnere mich an sehr schöne Kinderstunden in
vorweihnachtlicher Atmosphäre. Und oft ist es ein wichtiger sozialer Treffpunkt.
Wichtiger noch finde ich die Feiern in der Familie, wenn man sich mit Liedern,
Erzählungen und Gebet um den Adventkranz versammelt. Mir persönlich bedeutet die
Vorweihnachtsfeier mit unseren Mitarbeitern in Radio Maria sehr viel, bei der
wir einfach einander und miteinander die Dankbarkeit für den gemeinsamen Weg des
vergangenen Jahres zum Ausdruck bringen. Auch das öffnet den Weg in eine gute
Zukunft.
AdD.: Soll man im Advent auch fasten?
Andreas Schätzle: Da kommt ein anderer Aspekt dieser Zeit auf Weihnachten hin
zum Tragen: die Sehnsucht. Das Fasten, in welcher Form auch immer, macht Herz,
Leib und Ohren sensibler. Der Verzicht macht uns im geistlichen Sinne ärmer,
hungriger. Wir sehen lauter arme, d.h. erwartungsvolle, empfängliche Menschen
auf dem Weg: Zacharias und Elisabeth, die als unfruchtbar gilt, Johannes der
Täufer, der sich in der Wüste auf die Ankunft des Messias und seinen Auftrag
vorbereitete, Maria und Joseph auf der Suche nach Herberge, die Hirten, die per
se die Armen der damaligen Zeit darstellen, die Weisen, abhängig von einem Stern
und den Ratschlägen eines durchtriebenen Königs. Das sind die Menschen des
Advents. Die Sehnsucht ist jenes stille Licht, das uns einer unsichtbaren
inneren Landkarte folgen lässt. Ohne Sehnsucht laufen wir in die Irre, verzagen
wir, sterben wir. Die Sehnsucht lässt uns das Größere erwarten und schenkt uns
neue Ausblicke.
Im Management, aber auch in der Bibel nennt man das ‚Vision’. Die liturgischen
Texte des Advents, besonders die alttestamentlichen Lesungen des Jesajabuches
weisen alle in diese Richtung. Und mitten auf dem Weg passiert das Neue: aus der
Sehnsuchtssprache der Propheten fließen die Kindheitserzählungen des
Lukasevangeliums. Vielleicht das stärkste Sehnsuchtszeichen des Advents ist das
Anzünden der Lichter nach und nach – am Adventkranz, bei den Roratemessen, in
den Laternen zur Mette hin. „Lead kindly light – führ liebes Licht!“ (J.H. Kard.
Newman)
AdD.: Wie kann konkret die Umkehr im Advent aussehen?
Andreas Schätzle: Da sagt uns die Schrift: „Richtet euch auf und erhebt euer
Haupt, denn eure Erlösung ist nahe!“ (Lk 21,28) Der Erlöser ist da, die Gnade
wirkt, befähigt, schenkt Neuaufbruch. Das könnte in diesem Advent bedeuten:
Richte dich auf aus deinem Selbstmitleid, deiner Ich-Frömmigkeit, deinen
Selbstvorwürfen und Schuldzuweisungen. Schau dich um! Entdecke die Möglichkeiten,
die dir gegeben sind, damit du sie verwirklichst, Deine Talente, Fähigkeiten,
die Schritte der Versöhnung. Entdecke und lebe dein Potential! Sprich mit
Menschen, die dir dabei helfen können, und mit Menschen, die deine Hilfe
brauchen. Bitte den Hl. Geist, dich darin zu erleuchten und zu leiten! Nütze die
Sakramente, schätze die Gemeinschaft, ermutige deinen Nächsten!
„Lead kindly light!“ - Von John Henry Kardinal Newman - in der Übertragung
von Ida Friederike Görres
Führ liebes Licht, im Ring der Dunkelheit führ du mich an. Die Nacht ist tief,
noch ist die Heimat weit, führ du mich an! Behüte du den Fuß: der fernen Bilder
Zug begehr' ich nicht zu sehn: ein Schritt ist mir genug.
Ich war nicht immer so, hab' nicht gewusst zu bitten: du führ an! Den Weg zu
schaun, zu wählen war mir Lust doch nun: führ du mich an! Den grellen Tag hab
ich geliebt und manches Jahr regierte Stolz mein Herz, trotz Furcht: vergiss,
was war!
So lang gesegnet hat mich deine Macht, gewiss führst du mich weiter an, durch
Moor und Sumpf, durch Fels und Sturzbach, bis die Nacht verrann und morgendlich
der Engel Lächeln glänzt am Tor, die ich seit je geliebt, und unterwegs verlor.
Linz (kath.net/Amici di Dio)