101. Begierde benommen alles benommen.
Mensch nihm dir nur die Lieb und die begiehr der dinge / So seind die dinge selbst benommen und geringe. |
102. Das Auge und Hertze leiden nichts.
Das Hertz ist wie das Aug' / ein eintzigs gränelein / Wo du's im Hertzen hast / verursacht dir schon Pein. |
103. Beschwehrt komt niemand fort.
Der Schiffer wirfft im sturm die schwersten Wahren auß: Meinstu mit Gold beschwehrt zu kommn ins Himmels Hauß? |
104. Alles Weltliche muß weg.
Mensch würffestu nicht weg dein liebstes auf der Erden / So kan dir nimmermehr des Himmels hafen werden. |
105. Alles umb alles.
Die Seeligkeit ist alls. Wer alles wil erheben / Der muß auch zuvoran hier alls umb alles geben. |
106. Nichts gewinnt nichts.
Umb nichts gewind man nichts. Wo du nichts auf wilt setzen: So wirstu dich fürwahr auch ewig nichts ergötzen. |
107. Der thörichte verlust.
Mit hundert wil GOtt eins bezahln im ewgen Leben: Wie thöricht seind wir doch / daß wir nicht alls hin geben! |
108. Mit der Begierde hat man.
Freund schmeichle dir nicht viel: hastu noch die Begiehr / So hastu noch die Welt und alle ding' in dir. |
109. Der sein selbst Sclave.
Du wilt nicht Sclave seyn; und doch ists wahr mein Christ / Daß deiner selbst begiehr du vielmahl Sclave bist. |
110. Die schnödeste Sclaverey.
Die schnödste Sclaverey ist gerne Sclave seyn. Wie bildstu Sünden-Sclav dir denn was ehrlichs ein? |
111. Die geistliche Hunds Hütte.
Nichts schändlichs / nichts gerings steigt in ein groß gemütte: Hat deins an Sünden lust / so ists ein Hundes Hütte. |
112. Die schmälichste Dienstbarkeit.
Das schmählichst' ist die Sünd. Dänk Sünder was für schmach / Der du als wie ein Hund ihr dienst / dir folget nach! |
113. Der willige Betrogene.
Die Sünd ist voll Betrugs. Läst du dich sie regiern / So lästu dich mit willn inn schlund der Höllen führn. |
114. Der Stok-Knecht liebt den Stok.
Kein edler Geist ist gern gefangen und umbschränkt. Du must ein Stok-Knecht seyn / wo dich dein Leib nicht kränkt. |
115. Nachlässigkeit komt nicht zu GOtt.
Du sprichst / du wirst noch wohl GOTT sehen und sein Licht: O Narr du siehst ihn nie / siehstu ihn heute nicht. |
116. Nicht verlangen nicht embfangen.
Wer GOttes angesicht hier nicht sieht mit begier / Der komt in ewigkeit darnach nicht bey ihm für. |
117. Ohne Liebes pein ohne Liebe.
Verzug ursacht verdruß: fühlstu umb GOtt nicht Pein / So glaub ich nicht dein Hertz in ihn entzünd zu seyn. |
118. Die Liebe zeucht zum geliebten.
Die Lieb ist das gewicht: ists wahr daß wir GOtt Lieben / So werden wir von ihr stets hin zu GOtt getrieben. |
119. Das Göttliche und Ungöttliche gemütte.
Ein Göttliches gemütt steht stätts nach GOtt gericht: Nichts Göttlichs ist an dir verlangt dich nach ihm nicht. |
120. Nicht begehren ist nicht Lieben.
Du hast gern deinen Hund / der dir beliebt / bey dir: Wie Liebestu denn GOtt mit lauter unbegier? |
121. Nicht sterben wollen nicht Leben wollen.
Mensch stirbestu nicht gern / so wiltu nicht dein Leben: Das Leben wird dir nicht als durch den Tod gegeben. |
122. Die doppelte Thorheit.
Du renst in Tods gefahr schnöd' Ehre zuerwerben; Umb ewge Herrligkeit hörstu nicht gern vom Sterben. |
123. Der Narr erkiest das ärgste.
Ein Narr ist / der den Stok fürs Kaisers Burg erkiest; Der lieber in der Welt als in dem Himmel ist. |
124. Erküsung benennung.
Ein Knecht ist gern im Stall / ein schwein hirt gern umb Schweine: Wärstu ein edler Herr du wärest gern wo's reine. |
125. Was man ist das Liebt man.
Jeds Liebet was es ist / der Käfer seinen mist / Den unflat liebestu weil du ein unflat bist. |
126. Gesellschafft zeigt den Mann.
Die losung der gespan. Wers gern mit Narren hält / Der ist kein kluger Mann: nicht groß / wer mit der Welt. |
127. Der Liebe Todt und Pein.
GOtt ist mein einge Lieb: ihm nicht gemeine seyn Jst meiner Seelen Todt / meins Hertzens einge Pein. |
128. Wer zu GOTT wil / muß GOTT werden.
Werd GOtt wiltu zu GOtt: GOtt macht sich nicht gemein / Wer nicht mit ihm wil GOtt und das was er ist seyn. |
129. Wer wil wird GOtt gebohrn.
Von GOtt wird GOtt gebohrn: sol er dich den gebehrn / So mustu ihm zuvor den Willn darzu gewehrn. |
130. Nichts werden ist GOTT werden.
Nichts wird was zuvor ist: wirstu nicht vor zu nicht / So wirstu nimmermehr gebohrn vom ewgen Licht. |
131. Höchste Geburth / höchste Freude.
Die höchste Freud und Lust die GOtt mir kan gewehrn / Jst daß er Ewig wird mich seinen Sohn gebehrn. |
132. GOttes einige Seeligkeit.
Gebehrn ist Seelig seyn. GOtts einge Seeligkeit Jst daß er seinen Sohn gebiehrt von Ewigkeit. |
133. Wie man so Seelig als Gott wird.
GOtt ist das Seeligste. Wiltu so Seelig seyn / So dring in die Geburth deß Sohnes GOttes ein. |
134. Von Gott gebohren werden ist gäntzlich GOtt seyn.
GOtt zeuget nichts als GOTT: zeugt er dich seinen Sohn / So wirstu GOtt in GOtt / Herr auf deß Herren Thron. |
135. GOtt mit GOtt werden ist alles mit ihm seyn.
Wer GOtt mit GOtt gewird / ist mit ihm eine Freud / Ein Ewge Majestät / ein Reich und Herrligkeit. |
136. Ewge Ehre und Schande.
O Ehr O Seeligkeit / das Ewig seyn was GOtt! Das was der Teuffel ist / O ewge Schand und Spott. |
137. Der Narrische Unheilige.
Du wilt kein Heilger seyn / gleichwohl inn Himmel kommen. O Narr / es werden nur die Heilgen eingenommen. |
138. Der gröbste Baur.
Du schmückst dich wenn du solt nachs KayserHofe gehn / Und dänckst O gröbster Baur / ohn Schmuck für GOtt zustehn! |
139. Kein Höffling kein Himmling.
Mensch wirstu nicht gehöft unnd klebst am Kloß der Erden / Wie sol der Himmel dir / der keinem Pflock wird / werden. |
140. Wer nicht hasst hat nicht verlassen.
Du stäkst im falschen Wahn; kanstu die Welt nicht hassen / Fürwahr du hast nicht sie / sie hat nur dich verlassen. |
141. An den gezwungenen Creutzleidenden.
Mensch wer dem Creutz nicht kan entwerden und entgehn / Der muß auch wiedern Willn daran gehaftet stehn. |
142. An den Welt verlassenen.
Manch ding thut man auß Noth. Auch du verläst die Welt / Weil dirs dein Hertze sagt / daß sie nichts von dir hält. |
143. An den Hoffärtigen.
Es heist sich einen Wurm auß Demutt GOttes Sohn / Du Wurm mist dir wohl zu auß Hoffart seinen Thron. |
144. Die selbst Schätzung ist verwerflich.
Der Himmel schätzt sich nicht / ob er gleich alls ernährt: Schätzst du dich selber hoch / so bistu wohl nichts wehrt. |
145. Die seltzame Tugend.
GOtt spricht / wer sich versenckt der wird erhaben werden: Und doch ist dieses thun das seltzamst' auf der Erden! |
146. Das Werck bewehrt den Meister.
Freund weil du sitzst und dänckst / bistu ein Mann voll Tugend: Wenn du sie wircken solst / siehst du erst deine Jugend. |
147. Traurigkeit bringt Freude.
Wer Heilge Traurigkeit hier hat zum Vesper Brodt / Dem wart das Abendmahl / die ewge Freud in GOtt. |
148. Wer hier satt wird / kan dort nicht essen.
Wie daß der Fraß nicht kommt zum ewgen Abendessen / Er mag nicht weil er hier sich hat zu satt gefressen. |
149. Den Trunckenpold kan GOtt nicht träncken.
GOtt wil den sättigen den hungert und den dürst / Dir kan ers nimmer thun der du nie nüchtern wirst. |
150. Nichts umbsonst.
Niemand hat was umbsonst / wie bildstu dir denn ein / Daß auch das Himmelreich umbsonst wird deine seyn. |
151. GOttes Kaufmanschafft.
GOtt treibet Kauffmanschafft / er bitht den Himmel feil. Wie theuer giebt er ihn? umb einen Liebes-Pfeil. |
152. GOtt ist unser Ziehl.
Was macht nicht GOtt auß sich! Er ist meins Hertzens Ziel / Jch schüsse stets nach ihm / ich treff' ihn wenn ich wil. |
153. Das überunmöglichste ist möglich.
Du kanst mit deinem Pfeil die Sonne nicht erreichen / Jch kan mit meinem wol die ewge Sonn bestreichen. |
154. GOtt thut selbst alles.
GOtt legt den Pfeil selbst auf / GOtt spannet selbst den Bogen. GOtt drücket selber ab: drumb ists so wol gezogen. |
155. Je näher beym Ziel / je gewisser.
Je näher bey dem Ziehl / je näher beym Gewien; Meinstu das Hertze GOtts / so thrit nur nahe hin. |
156. Des Sünders Gebeth ist umbsonst.
Der Sünder ziehlt nach Gott / und wendt sich von ihm weg / Wie sols denn möglich seyn / daß er berühr den Zweg? |
157. Wie man sich zu GOtt kehrt.
Mit Heiliger Begihr / und nicht mit blossem bethen; Mit Heilgem Lebenslauff komt man zu GOtt gethreten. |
158. Der Geistliche Schütze-Zeug.
Das Hertz ist unser Rohr / die Liebe Kraut und Loth / Der Zunder gutter Will: Zieh loß so triffstu GOtt. |
159. Das Hertze muß scharff geladen seyn.
Ey lad doch recht und scharff / was paffstu in die Lufft? Was blind geladen ist das heisset nur gepufft. |
160. Es muß auß dem Hertzen gehn.
Das Mundloch giebt nicht Feur / im Fall du je wilt schüssen / Mustu die Kammer ja zuvor geladen wissen. |
161. Das Hertze muß geräumt und rein seyn.
Christ ist das Rohr nicht rein / die Kammer nicht geraumt / Und du drückst gleichwol loß / so halt' ich daß dir traumt. |
162. Ein vergifftes Hertze treibt nicht in die Höhe.
Halt / du verletzest dich / das Gifft muß auß dem Rohr / Sonst springts fürwahr entzwey und treibet nicht embpor. |
163. Haß macht sich verhast.
Mensch wer mit Haß und Neid für Gott den Herrn wil threten / Der wird ihm anders nichts als Haß und Neid erbethen. |
164. Erlaß wie wir erlassen.
Was du dem nächsten wilt / das bithst du dir von Gott. Wiltu nicht seyn gedeyn / so bithst du dir den Tod. |
165. Gieb wie du begehrst.
Mensch du begehrst von GOtt das gantze Himmelreich: Bitht man von dir ein Brodt / so wirstu Blaß und Bleich. |
166. Wer das Himmelreich hat kan nicht Arm werden.
Das Reich Gotts ist in unß. Hastu schon hier auf Erden Ein gantzes Reich in dir / was fürchstu arm zuwerden? |
167. Wer wahrhafftig Reich.
Viel haben macht nicht Reich. Der ist ein reicher Mann / Der alles was er hat ohn Leid verliehren kan. |
168. Der Weise hat nichts im Kasten.
Ein weiser Mann hat nichts im Kasten oder Schreyn: Was er verliehren kan / schätzt er nicht seine seyn. |
169. Man muß seyn / was man nicht verlihren wil.
Der Weis' ist was er hat. Wiltu das Feinperlein Des Himmels nicht verliehrn / so mustu's selber seyn. |
170. Zweyerley seiner selbst verliehrung.
Jch kan mich selbst verliehen. Ja? böß ists wenn in tod / Glückseelig Preiß ich dich / verliehrstu dich in GOtt. |
171. Jm Meer werden alle tropffen Meer.
Das Tröpfflein wird das Meer / wenn es ins Meer gekommen: Die Seele GOtt / wenn sie in GOtt ist aufgenommen. |
172. Jm Meer kan man kein tröpfflein unterscheiden.
Wenn du das Tröpfflein wirst im grossen Meere nennen: Denn wirstu meine Seel im grossen GOtt erkennen. |
173. Jm Meer ist auch ein tröpfflein Meer.
Jm Meer ist alles Meer auchs kleinste Tröpffelein: Sag welche Heilge Seel in GOtt nicht Gott wird sein. |
174. Jm Meer seind viel eins.
Viel Körnlein seind ein Brodt / ein Meer viel tröpffelein; So seind auch unser viel in GOtt ein einges ein. |
175. Die Vereinigung mit Gott ist leicht.
Mensch du kanst dich mit Gott viel leichter eines sehn / Als man ein aug' auffthut / wil nur / so ists geschehn. |
176. Gott verlangen macht Ruh und Pein.
Die Seele die nichts sucht als eins mit GOtt zuseyn: Die lebt in steter Ruh / und hat doch stäte Pein. |
177. Des Narren und Weisen Gemeinschafft.
Ein Narr ist gern zerstreut / ein Weiser gern allein: Er machet sich mit alln / der nur mit GOtt gemein. |
178. Mehr seind Todt als Lebendig.
Alls lebt und reget sich; doch zweiffl' ich ob die Welt Mehr der (GOtt) lebenden als Todten in sich hält. |
179. Der Geitzigen und Weisen wirkung.
Der Geitzhalß muß darvon / läst anderen sein Geld; Der Weise schickts für sich voran in jene Welt. |
180. Eben von derselben.
Der Weise streuet auß für seine Freund in GOtt; Der Geitzhalß sammlet ein fürn Teuffel und fürn Tod. |
181. Der Narren und Weisen schätzung.
Der Narr hält sich vor Reich bey einem Sak voll Geld / Der Weise schätzt sich arm auch bey der gantzen Welt. |
182. Der Unglaube hägt den Geitz.
Wer giebt dem giebet GOtt mehr als der giebt und wil: Was geitzt die Welt denn so? sie glaubet GOtt nit viel. |
183. Der Weise sucht nichts.
Der weise suchet nichts / er hat den stillsten Orden: Warumb? er ist in GOtt schon alles selber worden. |
184. Alles verdirbt und was wir nit seind.
Christ werde was du suchst: wo du's nicht selber bist / So komstu nie zur Ruh / unds wird dir alls zu Mist. |
185. Das Reichthum muß inner uns seyn.
Jn dir muß's Reichthum seyn / was du nicht in dir hast / Wärs auch die gantze Welt / ist dir nur eine Last. |
186. GOtt ist das Reichthum.
GOtt ist das Reichthum gar / gnügt er dir in der Zeit / So stehest du schon hier im Stand der Seeligkeit. |
187. Der thumme Geitzhalß.
Hastu an GOtt nicht gnug / und suchst nicht ihn allein / So mustu wol ein Thor und thummer Geitzhalß seyn. |
188. Der thörichte suchende.
Suchstu was und vermeinst daß GOtt nicht alles sey / So gehstu GOtt und alls in Ewigkeit fürbey. |
189. Alles begehren ist nichts haben.
Mensch glaube diß gewiß / hastu nach allm Begihr / So bistu bettel arm und hast noch nichts in dir. |
190. Ausser GOtt ist alles nichts.
Mensch wem GOtt alles ist / dem ist sonst alles nichts: Hastu nicht alls an GOtt / fürwahr im nichts gebrichts. |
191. Welt verlassen wenig verlassen.
Die gantze Welt ist nichts: Du hast nicht viel veracht / Wenn du gleich hast die Welt auß deinem Sinn gebracht. |
192. Sich verlassen ist etwas verlassen.
Du selber must auß dir. Wenn du dich selbst wirst hassen / Dann schätz ich dich / daß du erst etwas hast verlassen. |
193. Man muß getödtet seyn.
Alls muß geschlachtet seyn. Schlachstu dich nicht für GOtt / So schlachtet dich zu letzt fürn Feind der ewge Tod. |
194. Wirkung der Abtödtung und Lebens der selbstheit.
Durch tödtung deiner selbst wirstu Gotts Lamb darstellen / Mit Leben bleibestu ein todter Hund der Höllen. |
195. Viel Ixiones.
Ixion ist allein beschrihn auf allen Gassen: Und sieh viel tausend seind die eine Wolk umbfassen! |
196. An den Stöhrfriede.
Wenn du an einem Pflug wilt mit Ixion pflügen / So wirstu auch mit ihm auf einem Rade liegen. |
197. Wie die Arbeit / so der Lohn.
Freund wie die Arbeit ist / so ist auch drauf der Lohn: Auf böse folgen Streich' / auf gutte Preiß und Kron. |
198. Eingezogenheit verhüttet viel.
Braut ists daß du nicht gern läst frembde Buhler für; So halt die Fenster zue und steh nicht in der Thür. |
199. Behuttsambkeit ist Noth.
Behuttsamkeit ist Noth. Viel wärn nicht umbgekommen / Wenn sie der Sinnen Thür in bessre Hutt genommen. |
200. Vermässenheit ist schädlich.
Vermiß dich Jungfrau nicht / wer in Gefahr sich giebt / Der wird gemeiniglich gefähret und betrübt. |