1. Alles muß wider in Eins.
Alls kombt auß einem her / und muß in Eines ein: Wo es nicht wil gezweyt / und in der vielheit seyn. |
2. Wie die zahlen auß dem Eins / so die Geschöpffe auß GOtt.
Die zahlen alle gar sind auß dem Eins geflossen; Und die Geschöpff zumahl auß GOTT dem Einß entsprossen. |
3. GOtt ist in allen wie die Einheit inn Zahlen.
Gleich wie die Einheit ist in einer jeden Zahl; So ist auch GOtt der Ein' inn Dingen überall. |
4. Nichts kan ohn das Eins bestehn.
Wie all' und jede zahln ohns eines nicht bestehn; So müssen die Geschöpff ohn GOtt das Eins vergehn. |
5. Die Nulle gilt vornen an nichts.
Das Nichts die Creatur / wenn sichs Gott vorgesetzt / Gilt nichts: steht's hinter Jhm / dann wird es erst geschätzt |
6. Jm Eins ist alles Eins.
Jm Eins ist alles Eins: kehrt zwey zu ruck hinein / So ist es wesentlich mit jhm ein einges Ein. |
7. Alle Heiligen sind ein Heiliger.
Die Heilgen alle sind ein Heiliger allein: Weil sie ein Hertz / Geist / Sinn / in einem Leibe seyn. |
8. Die geheime Kronenzahl.
Zehn ist die Kronenzahl; sie wird aus eins und nichts: Wenn GOtt und Creatur zusammen kommn / geschichts. |
9. Es muß ein jeder Christus seyn.
Der wahre GOttes Sohn ist Christus nur allein: Doch muß ein jeder Christ derselbe Christus seyn. |
10. GOttes Pallast.
GOtt ist Jhm selbst sein Thron / der Himmel ist sein Saal / Der Vorhoffs Paradeiß / der Erdkreiß ist der Stal. |
11. Die Sünd' ist allein das übel.
Kein übel ist alß Sünd': und wären keine Sünden / So wär' in ewigkeit kein übel auch zu finden. |
12. Ein wachendes Auge siehet.
Das licht der Herrligkeit scheint mitten in der Nacht / Wer kan es sehn? Ein Hertz das Augen hat und wacht. |
13. Das jrrdische Gutt ist ein Mist.
Das jrrdsche Gutt ist Mist; die Armen sind der Akker: Wer's außführt und zerstreut / geneusts zur Erndte wakker. |
14. Der außgang geschieht umb den eingang.
Kein außgang der geschieht / als umb deß eingangs willen: Mein Hertz entschüttet sich / daß es GOtt an sol füllen. |
15. Verdamnüß ist im wesen.
Könt' ein Verdambter gleich im höchsten Himmel seyn: So fehlet' er doch stäts die Höll / und ihre Peyn. |
16. Durch dich entwird GOtt nichts.
Mensch wöhle was du wilt Verdamnüß oder Ruh: Eß gehet GOtt durch dich nichts ab und auch nichts zu. |
17. Das gröste Wunder.
Der Wunder hat es viel / kein grössers kan ich sehen / Als daß das auferstehn deß Fleisches wird geschehen. |
18. Die geistliche Jahrszeiten.
Der Winter ist die Sünd / die Busse Frülingszeit / Der Sommer Gnadenstand / der Herbst vollkommenheit. |
19. Auch von demselben.
Jm Winter ist man todt / im Früling steht man auf / Jm Sommer und im Herbst verbringt man seinen lauf. |
20. Der steiffe Felsenstein.
Ein tugendthaffter Mensch ist wie ein Felsenstein: Es stürme wie es wil / er fället doch nicht ein. |
21. Der Sünd' und Tugend eigenschafft.
Die Busse rüchet wol / die Sünden alle stincken: Die Tugenden gehn recht / die Laster aber hincken. |
22. Die Keuschheit bleibt verschlossen.
Die Keuschheit ist ein Schloß das niemand auf kan schliessen. Was sie im innern ist / das mag kein fremder wissen. |
23. Die zeit die ist nicht schnell.
Man sagt die Zeit ist schnell: wer hat sie sehen fliegen? Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begrieffe liegen! |
24. GOtt sieht man nicht mit Augen.
Wann du denkst GOtt zu schaun / bild dir nichts sinnlichs ein: Das schaun wird inner uns / nicht außerhalb uns seyn. |
25. Was das beste an der Seeligkeit.
Was an der Seeligkeit mein Hertz fürs best' erkiest / Jst daß sie wesentlich / und nicht von aussen ist. |
26. GOtt wird wie wir.
GOtt gibt dir wie du nimbst / du selbst schenkst auß und ein / Er wird dir wie du wilt / wie nach dem faß der Wein. |
27. Die Wegescheide zur Ewigkeit.
Die Wegescheid' ist hier: Wo lenkstu dich nu hin? Zur Lincken ist verlust / zur Rechten ist gewien. |
28. Was GOtt den Tag durch thut.
Des Morgens geht GOtt auß / zu mittag schläffet er / Deß Nachts ist er erwacht / reist Abends ohn beschwehr. |
29. Man muß die Tieffe auf der Höhe betrachten.
Ein ungrund ist zwar Gott / doch wem er sich soll zeigen / Der muß biß auf die Spitz der ewgen Berge steigen. |
30. Der Teuffel der ist gut.
Der Teuffel ist so gutt dem wesen nach als du. Waß gehet jhm dann ab? Gestorbner will' und ruh. |
31. Die ichheit und verläugnung.
Der ichheit ist GOtt feind / verläugnung ist er hold: Er schätzt sie beyde so / wie du den Koth unds Gold. |
32. Der eigene Wille stürtzt alles.
Auch Christus / wär' in jhm ein kleiner eigner Wille / Wie seelig er auch ist / Mensch glaube mir er fielle. |
33. Wenn GOtt am liebsten bey uns ist.
GOtt dessen wollust ist bey dir O Mensch zu seyn / Kehrt / wenn du nicht daheim / am liebsten bey dir ein. |
34. GOtt liebt nichts als sich.
GOtt hat sich selbst so lieb / bleibt jhm so zugethan; Daß er auch nimmermehr was anders lieben kan. |
35. GOtt kan mehr viel als wenig.
Nichts ist das GOtt nicht kan. Hör Spötter auf zulachen. Er kan zwar keinen GOtt / wol aber Götter machen. |
36. Viel Götter / und nur einer. 1. Cor. 8. 5.
Ein einger GOtt / und viel / wie stimbt diß über ein? Gar schöne: Weil sie all' in einem Einer seyn. |
37. GOtt schaut auf den Grund.
GOtt schätzt nicht was du guts / nur wie du es gethan: Er schaut die Früchte nicht / nur Kern und Wurtzel an. |
38. GOtt bricht vonn Disteln Feigen.
GOtt list vonn Dornen Wein / vonn Disteln bricht er Feigen / Wenn er dein sündigs Hertz zur Busse komt zu neigen. |
39. Die Seeligen sind nie satt.
Die Seelgen dürffen sich daß sie nie satt sind freun! Es muß ein süsser Durst / und lieber Hunger seyn! |
40. Christus ist ein Felß.
Wer sich an Christum stöst / (er ist ein Felßenstein) Zerschöllt: wer jhn ergreifft / kan ewig sicher seyn. |
41. Je mehr erkandnüß je weniger verstandnüß.
Je mehr du GOtt erkennst / je mehr wirstu bekennen / Daß du je weniger Jhn / was er ist / kanst nennen. |
42. GOtt muß sich selber lieben.
GOtt ist das höchste Gutt / er muß jhm selbst gefallen / Sich selber auf sich kehrn / sich lieben / ehrn / für allen. |
43. Wie GOtt so sehr gerecht.
Schau GOtt ist so gerecht: Wär' etwas über jhn / Er ehrt' es mehr als sich / und kniete für dem hin. |
44. GOtt liebt sich nicht als sich.
GOtt liebt sich nicht als sich / nur als das Höchste gut / Drumb schau / daß er auch selbst / was er befihlet / thut. |
45. Die Laster scheinen nur.
Die Laster gehn bekleidt / die Tugend stehet Bloß / Die ist warhafftiglich / jen' aber scheinen groß. |
46. Du bist der erste Sünder.
Schweig Sünder / schreyhe nicht dir Ev' und Adam an: Wärn sie nicht vorgefalln / du hättest's selbst gethan. |
47. Der Geistliche Feuerzeug.
Mein Hertz ists Feuerzeug / der Zunder gutter Wille: Schlägt GOtt ein Fünklein drein / so brennts und leuchts die völle. |
48. Eins kans nicht ohn das andre.
Zwey müssen es vollziehn: ich kans nicht ohne GOtt / Und GOtt nicht ohne mich: daß ich entgeh dem Tod. |
49. Die schönste Weißheit.
Mensch steig nicht allzu hoch / bild dir nichts übrigs ein: Die schönste Weißheit ist nicht gar zu weise seyn. |
50. GOtt ist nicht tugendhafft.
GOtt ist nicht tugendhaft: Auß jhm kombt tugend her / Wie auß der Sonn die Strahln / und Wasser auß dem Meer. |
51. Nach GOtt ist alles gebildet.
GOtt ist von anbegin der Bildner aller dinge / Und auch jhr Muster selbst. Drumb ist ja keins geringe. |
52. Du must der Himmel seyn.
Jnn Himmel komst du nicht / (laß nur von dem getümmel) Du seyst dann selbst zuvor ein lebendiger Himmel. |
53. Die ewige Erwählung.
GOtt wählt dich wie du bist: Böß ist bey jhm verlohrn / Gut ist von ewigkeit zum Leben außerkohrn. |
54. Der Tugenden und Laster beschaffenheit.
Die Tugend liegt in ruh / die laster stehn im streit: Sie haben Pein in sich / jen' aber Seeligkeit. |
55. GOtt strafft nicht die Sünder.
GOtt strafft die Sünder nicht. Die Sünd' ist selbst jhr Hohn / Jhr Angst / Pein / Marter / Tod: Wie Tugend selbst jhr Lohn. |
56. GOtte thut deine Verdamnüß nicht weh.
Der Sonne thuts nicht weh / wenn du von jhr dich kehrst / Also auch GOtte nicht / wenn du in Abgrund fährst. |
57. Wann du wilt / wirstu seelig.
GOtt läst dich jede zeit gar gern inn Himmel ein: Es stehet nur bey dir ob du wilt seelig seyn. |
58. Wie du bist / so wirstu gewürket.
Die Sonn erweicht das Wachß / und machet hart den Koth. So wirkt auch GOtt nach dir das Leben und den Tod. |
59. Herren gunst wehret jmmer.
Daß Herrn gunst ewiglich / und nicht nur kurtz bestehe / Beweiß ich mit der gunst des Herren in der Höhe. |
60. Der Weg zum Himmel.
Wenn du mein Pilger wilt inn Himmel dich erhöhen / So mustu nahe zu / grad übern Kreutzweg gehen. |
61. Alles ist vollkommen.
Mensch nichts ist unvolkommn: der Kieß gleicht dem Rubin: Der Frosch ist ja so schön alß Engel Seraphin. |
62. Des Menschen gröster Schatz.
Der gröste Schatz nach GOtt ist gutter will' auf erden: Jst alles gleich verlorn / Durch jhn kans wider werden. |
63. Bey GOtt sind keine Jahre.
Für GOtt sind tausend Jahr wie ein vergangner Tag. Darumb ist gar kein Jahr bey jhm / wers fassen mag. |
64. Wir dienen uns / nicht GOtt.
Mensch / GOtt ist nichts gedient / mit fasten bethen wachen: Du dienst mehr dir damit / weils dich kan heilig machen. |
65. GOtt kan sich nicht verbergen.
GOtt kan sich nimmermehr verbergen wie du sprichst: Es sey dann daß du auch für jhn ein Loch erdichst. |
66. GOtt ist in unß selbst.
GOtt ist so nah bey dir mit seiner Gnad und Gütte / Er schwebt dir wesentlich im Hertzen und Gemütte. |
67. Wie weit der Weg inn Himmel.
Christ schätze dir die Reiß inn Himmel nicht so weit: Der gantze Weg hinein ist keines Schrittes breit. |
68. Der weise begehrt nicht inn Himmel.
Der Weise wann er stirbt / begehrt inn Himmel nicht: Er ist zuvor darinn eh jhm das Hertze bricht. |
69. Deß bösen und gutten Unterscheid.
Ein Jrrliecht ist der böß': ein gutter Mensch ein stern: Er brennet von sich selbst / der leuchtet von dem Herrn. |
70. Man darff nicht viel zur Seeligkeit.
Christ du bedarffst / nicht viel zur ewgen Seeligkeit: Es hülfft ein eintzigs Kraut das heist Gelassenheit. |
71. Die Buß' ist leicht zu thun.
Die Buß' ist bald gethan / daß dich GOtt loß muß sagen / Du darffst nur an die Brust wie jener Sünder schlagen. |
72. Gott ist allem gleich nahe.
GOtt ist dem Belzebub nah wie dem Seraphim: Es kehrt nur Belzebub den Rükken gegen jhm. |
73. GOtt kan sich nicht entziehn.
GOtt kan sich nicht entziehn / er würket für und für. Fühlstu nicht seine Krafft / so gib die Schuld nur dir. |
74. Jn der Hölle ist keine Ewigkeit.
Betracht' es eigendlich: bey GOtt ist Ewigkeit / Beym Teuffel in der Höll da ist ein ewges leid. |
75. Nichts besteht ohne genuß.
Nichts dauret ohn genuß. GOtt muß sich selbst geniessen: Sein wesen würde sonst wie Graß verdorren müssen. |
76. Wie die Gesellschafft / so der Geselle.
Zu wem du dich gesellst / deß wesen saufstu ein: Bey Gotte wirstu Gott / beym Teuffel Teuffel seyn. |
77. An den Sünder.
Du schreiest auf den Dieb / und schiltst jhn unverholen: Schweig / du hast GOtt viel mehr alß er der Welt gestohlen. |
78. Warumb wenig zur Thür deß Lebens eingehn.
Daß nach der Himmelthür so wenig Menschen greiffen! Es wil jhm keiner dran den alten Balg abstreiffen. |
79. Am Creutz am sichersten.
Man ligt am seeligsten in Leyden Creutz und Pein: Wo aber sind die gern auf disem Bette seyn? |
80. Die Armut ist am Reichsten.
Die Armuth ist ein Schatz dem keine Schätze gleichen. Der ärmste Mensch im Geist hat mehr als alle Reichen. |
81. Jm Reinen erscheinet GOtt.
Mensch dänkstu GOtt zuschaun / dort oder hier auf Erden: So muß dein Hertz zu vor ein reiner Spiegel werden. |
82. Am Creutz ist die lieb' am Liebsten.
Sag wo die Liebe wird am liebesten gefunden? Am Creutz / wenn sie umb deß geliebten willn gebunden. |
83. Freud' und Leid beysammen.
Ein Christ erfreuet sich in Leyden Creutz und Pein: So kan ja freud' und Leyd gar wol beysammen seyn! |
84. Eins wissen hat den Preyß.
Viel wissen blähet auf: dem geb ich lob und preyß / Der den Gekreutzigten in seiner Seele weiß. |
85. Wer nichts weiß / ist geruhig.
Hätt' Adam nie vom Baum der wissenschafften gessen / Er wär' im Paradeiß in ewger Ruh gesessen. |
86. Der Schöpffer im Geschöpffe.
Die Schöpffung ist ein Buch; Wer's weißlich lesen kan / Dem wird darinn gar fein der Schöpffer kundt gethan. |
87. Eins ist das beste Buch.
Viel Bücher viel beschwehr: Wer eines recht gelesen / (Jch meine JEsum Christ) / ist ewiglich genesen. |
88. Du must dich über setzen.
Der Leib muß sich inn Geist / der Geist inn Gott erheben / Wo du in Jhm mein Mensch wilt ewig seelig leben. |
89. Du must es hier erwerben.
Hier muß es seyn gethan: jch bilde mir nicht ein / Daß der kein Reich erwirbt dort wird ein König seyn. |
90. Nichts zeitlich ist in GOtt.
Ein Augenblik ist kurtz: Noch kan ich kühnlich sagen / Daß GOtt so lange nicht gewest vor Zeit und Tagen. |
91. Jn welchem Jahr die Welt erschaffen.
Da GOtt die Welt erschuf / waß schrieb man für ein Jahr? Kein anders nicht alß das seins Urstands erstes war. |
92. GOtt siht nichts zuvor.
1) GOtt sihet nichts
zuvor: Drumb leugstu wenn du jhn Mit der Vorsehung mißt nach deinem blöden Sinn. |
93. GOtt kan nicht zörnen.
GOtt zörnet nie mit unß / wir dichtens jhm nur an: Unmöglich ist es jhm daß er je zörnen kan. |
94. GOtt ist nicht beweglich.
Wer saget daß sich GOtt vom Sünder abewendt / Der giebet klar ann Tag daß er GOtt noch nicht kennt.2) |
95. Was GOtt den Seeligen und Verdambten ist.
GOtt ist den Seeligen ein ewger freuden Gast / Und den Verdammeten ein' ewge überlast. |
96. Das Höllische brennt nur.
Die Hölle schadt mir nichts / wär' ich gleich stäts in jhr; Daß dich jhr Feuer brennt / das lieget nur an dir. |
97. Der weise klagt nur Sünde.
Der Weise wann er sol von Pein und Unglük sagen Wird dir sonst über nichts als über Sünde klagen. |
98. GOtt kan dem Willn nicht steuren.
Nichts stärkers ist als GOtt: doch kan er nicht verwehren
/3) Daß ich nicht was ich wil sol wollen und begehren. |
99. Was GOtt gern jsset.
GOtt jsst die Hertzen gern: Wiltu jhn stattlich speisen / So richt' ihm deines zu: Er wird es ewig preisen. |
100. Wie GOtt das Hertz wil zubereitet haben.
Wie Kocht man Gott das Hertz? Es muß gestossen seyn / Geprest / und stark verguldt: Sonst geht es jhm nicht ein. |