101. Vom Tode.
Der Tod ist doch noch gutt: könt' jhn ein Höllhund haben / Er liss' im Augenblik sich Lebendig begraben. |
102. Auch von jhm.
Man wünschet jhm den Tod / und fliehet jhn doch auch: Jens ist der Ungeduld und diß der Zagheit brauch. |
103. Das Leben und der Tod.
Kein Tod ist herrlicher als der ein Leben bringt: Kein Leben edler / als das auß dem Tod entspringt. |
104. Der Tod der Heiligen.
Der Tod der Heiligen ist wehrt geacht für GOtt: Sag wo es dir bewust / was ist es für ein Tod? |
105. Der Tod ist gut und böse.
So gut der Tod auch ist dem der im HErren stirbt / So ungut ist er dem / der ausser jhm verdirbt. |
106. Von den Märtyrern.
Der Märtrer Lebenslauff ist wenig aufgeschrieben; Die Tugenden die man zur Leidenszeit gespürt / Die Lobt und preist man nur / und sind statt jenes blieben: Dieweil ein schöner Tod das gantze Leben ziehrt. |
107. Die nützlichsten Gedancken.
Dänk an den Tod / mein Krist: was dänkstu anders viel? Man denkt nichts nützlichers als wie man sterben wil. |
108. Der Mensch ist dreymal Englisch.
Der Thronfürst ruht in GOtt; Jhn schaut der Cherubin; Der Seraphin zerschmeltzt für lauter Lieb' in Jhn. Jch finde diese Drey in einer Seel allein: So muß ein heilger Mensch ja dreyfach Englisch seyn! |
109. Der Weise.
Der Weise suchet ruh / und fliehet das Getümmel: Sein elend ist die Welt / sein Vaterland der Himmel. |
110. Das Wolfeilste.
Wie wolfeil halt doch GOtt sein Reich unds Ewge Leben! Er darffs dem Büssenden für einen Fußfall geben. |
111. An den sich selbst Liebenden.
Narciß ersäuffet sich da er sich selbst wil Lieben. Philautus lachestu? es ist von dir geschrieben. |
112. Von dem Hertzen der heiligen Clara de Montefalco.
Hier ist der Speer und Schwamm / die Nägel / Säul und Kron / Die Geisseln / und auch gar das Creutz mit GOttes Sohn: Drey Kugeln eines halts: Es kan nicht anderst seyn / Diß Hertz ist GOttesburg / und seines Leydens schreyn. |
113. List wieder List.
Mit List hat unß der Feind gefället und bekriegt / Mit List kan er von unß seyn wiederumb besiegt. |
114. Ein Lamb bezwingt den Drachen.
Vertraue GOtt / der Drach wird leichtlich überwunden / Hat ihn doch nur ein Lamm gefället und gebunden! |
115. Die Nachreu kombt zu spät.
Da GOtt auf Erden gieng / ward Er fast nicht geacht: Nu Er im Himmel ist beklagt Jhn jedermann Daß jhm nicht grösser Ehr ist worden angethan. So Thöricht ist die Welt / daß sie's nicht vorbedacht! |
116. Eins folgt und weicht dem andern.
Eins ist deß andren end' / und auch sein anbegin. Wenn GOtt gebohren wird / so stirbet Adam hin. |
117. Die Welt unds Neu Jerusalem.
Die Welt scheint Kugelrund dieweil sie sol vergehn: Gevierdt ist GOttes Stadt: drumb wird sie Ewig stehn. |
118. Der Spiegel.
Der Spiegel zeiget dir dein äussres Angesicht: Ach daß Er dir doch auch das jnnre zeiget nicht! |
119. Das Faß muß reine seyn.
Wasch auß deinns Hertzensfaß: wann Häfen drinne seyn / So geust GOtt nimmermehr dir seinen Wein darein. |
120. Der Himmelspähende.
Ein Himmelspähender ist dem Geschöpffe tod / Wie komts? Er lebt allein dem Schöpffer seinem GOtt. |
121. Jm Himmel sind auch Thiere.
Man sagt es kan kein Thier zu GOIT dem HErrn eingehn: Wer sind die Viere dann die nah bey Jhme stehn? |
122. GOtt sieht nicht übersich.
GOtt sieht nicht übersich: drumb überheb dich nicht: Du kömst sonst mit Gefahr auß seinem Angesicht. |
123. Von der H. Martha an den Polypragmon.
Der HErr spricht Eins ist noth; und was die Martha thut Das ist auch an sich selbst gar löblich / fein / und gutt: Und dennoch strafft Er sie. Merks Polypragmon wol: Daß man mit vielerlei sich nicht zerrütten sol. |
124. Von GOtt.
GOtt ist ein solches Gutt / je mehr man Jhn empfindt: Je mehr man Jhn begehrt / verlangt / und Lieb gewinnt. |
125. Deß GOtts verliebten Pein.
Der GOttverliebte Mensch hat sonsten keine Pein / Als daß er nicht kan bald bey GOtt dem Liebsten seyn. |
126. Die unerforschliche Ursache.
GOtt ist Jhm selber alls / sein Himmel / seine Lust: Warumb schuff Er dann unß? es ist uns nicht bewust. |
127. Die Wohnung GOttes.
GOtt wohnet in sich selbst / sein Wesen ist sein Hauß: Drumb gehet Er auch nie auß seiner GOttheit auß. |
128. An den Weltliebenden.
Die Seele weil sie ist gemacht zur Ewigkeit / Hat keine wahre Ruh inn Dingen dieser Zeit: Drumb wunder ich mich sehr / daß du die Welt so liebst / Und aufs zergängliche dich setzest und begiebst. |
129. GOtt redt am wenigsten.
Niemandt redt weniger als GOtt ohn Zeit und ort: Er spricht von Ewigkeit nur bloß Ein Eintzigs Wort. |
130. Von der Eitelkeit.
Wend ab dein Angesicht vom glast der Eitelkeit: Jemehr man jhn beschaut / jemehr wird man verleitt. Jedoch kehrs wider hin: denn wer jhn nicht betracht / Der ist schon halb von jhm gefällt und umbgebracht. |
131. Von der Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit ist weg! wohin? sie ist inn Himmel / Warumb? sie traute sich nicht mehr bey dem Getümmel. Was kont' jhr dann geschehn? sie wäre von der Welt Schon längst an ihren Ehrn geschwächet und gefällt. |
132. Verlust und Gewinn.
Der Tod ist mein Gewinn / Verlust das lange Leben: Und dennoch dank ich GOtt daß er mir diß gegeben. Jch wachs' und nehme zu / so lang ich hier noch bin: Darumb ist auch gar wol das Leben mein Gewin. |
133. Der Mensch ist eine Kohle.
Mensch du bist eine Kohl / GOtt ist dein Feur und Licht: Du bist schwartz / finster / kalt / liegstu in Jhme nicht. |
134. Die Krafft der zurukkehrung.
Wann du dich meine Seel zuruk hinein begiebst / So wirstu was du warst / und was du Ehrst und Liebst. |
135. Die Bach wird das Meer.
Hier flüss' ich noch in GOtt als eine Bach der Zeit: Dort bin ich selbst das Meer der ewgen Seeligkeit. |
136. Der Strahl wird die Sonne.
Mein Geist / kombt er in GOtt / wird selbst die ewge Wonne: Gleich wie der Strahl nichts ist als Sonn' in seiner Sonne. |
137. Das Fünklein im Feuer.
Wer kan das Fünkelein in seinem Feur erkennen? Wer mich / wann ich in GOtt / ob ich es sey / benennen? |
138. Die Liebe macht Beliebter.
Mit was macht sich die Braut beym Bräutgam mehr beliebt? Mit Liebe wenn sie sich jhm mehr und mehr ergiebt. |
139. Die glükseelige Ertrinkung.
Wenn du dein Schiffelein aufs Meer der GOttheit bringst: Glükseelig bistu dann / so du darinn Ertrinkst. |
140. Das edelste Gebette.
Das edelste Gebett ist wenn der Better sich Jn das für dem er kniet verwandelt jnniglich. |
141. Nichts ist süsser als Liebe.
Es ist doch keine Lust / und keine Seeligkeit / Die übertreffen kan der Liebe süssigkeit! |
142. Der Furcht und Liebe Würdigkeit.
Wer Gott liebt / schmäkt schon hier seins Geistes süssigkeit: Wer aber Jhn nur fürcht / der ist davon noch weit. |
143. Der allerlieblichste Thon.
Es kan in Ewigkeit kein Thon so Lieblich seyn / Als wenn deß Menschen Hertz mit GOtt stimbt überein. |
144. Die heilige Uberformung.
Die Ruhe deines Geists macht dich zu einem Thron / Die Lieb zum Seraphin / der Fried zu Gottessohn. |
145. Wir sind edeler als die Seraphine.
Mensch ich bin edeler als alle Seraphin / Jch kan wol seyn was sie / sie nie was ich je bin. |
146. Was der höchste Adel deß Menschen.
Mein höchster Adel ist / daß ich noch auff der Erden / Ein König / Kaiser / Gott / und was ich wil / kan werden. |
147. Die weite deß Menschen ist nicht zubeschreiben.
Wer ist der mir wie weit und breit ich bin zeigt an? Weil der Unendliche (GOtt) in mir wandeln kan.1) |
148. Was die Seele erweitert.
Was macht deß Menschen Hertz und seine Seele weit? Die Liebe GOttes giebt ihm die Beschaffenheit. |
149. Was ohne Lieb ist Stinckt.
Mensch komstu ohne Lieb / so steh nur bald von fern: Was nicht nach liebe reucht / das stinckt für GOtt dem HErrn. |
150. Der höchste GOttesdienst.
Der Höchste GOttesdienst / ist GOtte gleiche werden: Christförmig seyn an Lieb / am Leben und Geberden. |
151. Die Wahre Weißheit.
Die Wahre Weißheit die dir zeigt die Himmelsthür / Steht in Vereinigung und Feurger Liebsbegiehr. |
152. Wie die Lieb die Sünden verzehrt.
Wie du den Flachs unds Werk im Feuer sichst verschwinden. So brennen auch hinweg durch Liebe deine Sünden. |
153. Das Meer in einem Tröpfflein.
Sag an wie geht es zu / wenn in ein Tröpffelein Jn mich / das gantze Meer Gott gantz und gar fleust ein? |
154. GOtt ist allenthalben gantz.
O Wesen dem nichts gleich! GOtt ist gantz ausser mir / Und inner mir auch gantz / gantz dort / und gantz auch hier. |
155. Wie Gott im Menschen.
Mehr als die Seel im Leib / Verstand in dem Gemütte / Jst GOttes Wesenheit in dir und deiner Hütte. |
156. Noch darvon.
GOtt ist noch mehr in mir / als wann das gantze Meer Jn einem kleinen Schwamm gantz und beisammen wär. |
157. GOtt ist in und umb mich.
Jch bin der Gottheit Faß in welchs sie sich ergeust / Sie ist mein tieffes Meer das mich insich beschleust. |
158. Das grosse ist im kleinen verborgen.
Der Umbkraiß ist im Punckt / im Saamen liegt die Frucht / GOtt in der Welt: wie Klug ist der jhn drinne sucht! |
159. Alles ist allem.
Wie sah S. Benedict die Welt in einem strahl? Es ist (weistu's noch nicht?) in allem alls zumahl. |
160. GOtt ist überall Herrlich.
Kein Stäublein ist so schlecht / kein Stöpffchin ist so klein: Der Weise sihet GOtt gantz herrlich drinne seyn. |
161. Alles in einem.
Jn einem Senffkörnlein / so du's verstehen wilt / Jst aller oberern und untrern dinge Bild. |
162. Eins ist im andren.
Das Ey ist in der Henn / die Henn ist in dem Ey: Die zwey im Eins / und auch das Eines in der Zwey. |
163. Alles komt auß dem verborgenen.
Wer hatte das vermeint! auß Finsternüß komts Licht / Das Leben auß dem Tod / das etwas auß dem Nicht. |
164. Das Conterfect GOttes.
Jch weiß GOtts Conterfect: Er hat sich Abgebildt / Jn seinen Creaturn / wo du's erkennen wilt. |
165. GOtt schafft die Welt noch.
GOtt schafft die Welt annoch: komt dir diß Fremde für? So wiss' es ist bey jhm kein Vor noch nach / wie hier. |
166. Die Ruh und Würkung GOttes.
GOtt hat sich nie bemüht / auch nie geruht / das merk: Sein Wirken ist sein ruhn / und seine Ruh sein Werk. |
167. Deß Kristen Joch ist leichte.
Krist es kan ja dein Joch dir nie beschwerlich seyn: Denn GOtt und seine Lieb die spannt sich mit dir ein. |
168. Das Unbeständigste
Nichts Unbeständigers im wol seyn und im Schmertz / Jst / dänke hin und her / als / Mensch dein eigen Hertz. |
169. Die Klugheit wird gelobt.
Verwirff nicht was du hast: Ein Kauffman der sein Geld Wol anzulegen weiß / den lobet alle Welt. |
170. Artzney der Kranken Liebe.
Ein Hertz das Krank für Lieb / wird eher nicht gesund / Biß es GOtt gantz und gar durchstochen und verwundt. |
171. Die Liebe ist zerschmeltzende.
Die Liebe schmeltzt das Hertz / und machts wie Wachs zerfliessen: Erfahr es wo du wilt die süsse Würkung wissen. |
172. Der Adel deß geruhigen Hertzen.
Mein Hertze wenns GOtt ruht / ists Braut Bett seines Sohns: Wanns dann sein Geist bewegt / die sänffte Salomons. |
173. Der höchste Friede.
Der höchste Friede den die Seele kan geniessen / Jst sich aufs möglichst' eins mit GOttes willen wissen. |
174. Der Uberfluß der seeligen.
GOtt schenkt den seeligen so überflüssig ein / Daß sie mehr in dem Trank / als der in jhnen / seyn. |
175. Die wunderbahrlichste Heyrath.
Schaut doch die Heyrath an! der Herr der Herrligkeit Hat eines Sclaven Magd deß Menschen Seel gefreit! |
176. Die Hochzeit deß Lammes.
Wenn ich zu GOtt eingeh / und küss' ihn mit begier / Dann ist es daß das Lamb die Hochzeit hält in mir. |
177. Verwunderung über der Gemeinschafft GOttes.
Es ist erstaunungs voll / daß ich Staub / Asch und Koth / So freundlich und gemein mich machen darf mit GOtt! |
178. Was die Creatur gegen GOtt.
Was ist ein Stäubelein in Anschauung der Welt? Und was bin ich / wenn man Gott gegen dir mich hält? |
179. Wie GOtt so hertzlich liebt.
GOtt liebt so hertzlich dich; Er würde sich betrüben / Jm fall es möglich wär / daß du Jhn nicht wilt lieben. |
180. Der Tag und Morgenröth der Seelen.
Der Seelen Morgenröth ist GOtt in dieser Zeit: Jhr Mittag wird er seyn im Stand der Herrlichkeit. |
181. Vom Seeligen.
Die seelge Seele weiß nichts mehr von Anderheit: Sie ist ein Licht mit GOtt und eine Herrlichkeit. |
182. Gleichnüß der Freud in GOtt.
Freund was der Hönig dir ist gegen Koth und wust: Das ist die Freud in GOtt auch gegens Fleischeslust. |
183. Was du willst ist alles in dir.
Mensch alles was du wilt / ist schon zu vor in dir: Es lieget nur an dem daß du's nicht würkst herfür. |
184. Das wunderlichste Geheimnüß.
Mensch kein Geheimnüß kan so wunderbahrlich seyn: Als daß die heilige Seel mit GOtt ein Einges ein. |
185. Wie die Creatur in GOtt.
Wie du das Feur im Kieß / den Baum im Kern sichst seyn: So bild dir das Geschöpff in Gott dem Schöpffer ein. |
186. Nichts ist jhm selber.
Der Regen fällt nicht ihm / die Sonne scheint nicht jhr: Du auch bist anderen geschaffen / und nicht dir. |
187. Man soll den Geber nehmen.
Mensch laß die Gaben GOtts / und eyl Jhm selbsten zu: Wo du ann Gaben bleibst / so kömstu nicht zur Ruh. |
188. Wer der Freudigste Mensch ist.
Kein Mensch ist freudiger als der zu aller Stund Von Gott und seiner Lieb entzündt wird und verwundt. |
189. Der Sünder ist nie gantz frölich.
Die Sünder ob sie gleich in lauter Freude leben / So muß doch jhre Seel in grösten Furchten schweben. |
190. Das Kreutz offenbahrt was verborgen.
Jn Trost und süssigkeit kennstu dich selbst nicht Krist: Das Kreutze zeigt dir erst wer du im jnnern bist. |
191. Wie man alles auf einmal läst.
Freund wenn du auf Einmal die gantze Welt wilt lassen / So schau nur daß du kanst die eygne Liebe hassen. |
192. Der weiseste Mensch.
Kein Mensch kan weiser seyn / als der das Ewge Gutt Für allem andren liebt und sucht mit gantzem Mutt. |
193. Das geruffe der Creaturen.
Mensch alles schreyt dich an / und predigt dir von GOtt / Hörstu nicht daß es rufft lieb jhn / so bistu todt. |
194. Was GOtt am liebsten thut.
Das liebste Werck das GOtt so jnniglich liegt an / Jst daß er seinen Sohn in dir gebehren kan. |
195. Der wesentliche Danck.
Der wesentlichste Danck den GOtt liebt wie sein Leben / Jst wenn du dich bereitst daß Er sich selbst kan geben. |
196. Der Heiligen gröste Arbeit.
Der Heilgen gröstes Werck und arbeit auf der erden Jst GOtt gelassen seyn und jhm gemeiner werden. |
197. Was GOtt vom Menschen fordert.
GOtt fordert nichts von dir alß daß du ihm solt ruhn: Thustu diß / so wird Er das andere selber thun. |
198. Was die geistliche Ruh ist.
Die Ruh die GOtt begehrt / die ist von sünden rein / Begihr- und willenlos / gelassen innig seyn. |
199. Wie das Hertze muß beschaffen seyn.
Christ wo der Ewge GOtt dein Hertz sol nehmen ein / So muß kein bildnüß drinn / alß seines Sohnes seyn. |
200. Wie man die Zeit verkürtzt.
Mensch wenn dir auf der Welt zu lang wird weil und zeit; So kehr dich nur zu GOtt ins Nun der Ewigkeit. |