6. Katechese 2003/04 am 7. März
2004
"Die
Wandlung"
Christus ist in der Gestalt des Brotes
gegenwärtig. Es ist eben nicht Brot, es ist Leib Christi. Nun wissen wir aber
alle: Was wir sehen, was wir schmecken, was wir berühren, ist doch trotzdem
Brot. Was heißt das, dass wir sagen Leib Christi und nicht Brot Christi?
Lasset uns beten! Herr, in deiner Liebe wolltest
du immer bei uns sein. Du schenkst uns deine Gegenwart im Geheimnis der
Eucharistie als Unterpfand der kommenden Herrlichkeit. Lass uns mit dem
Herzen, mit dem Verstand, mit dem Glauben erfassen, was deine Liebe uns in
diesem Geheimnis schenkt. Amen.
Genau um diese Frage geht es in unserer heutigen
Katechese: Was heißt das, dass wir sagen Leib Christi und nicht Brot Christi?
Warum macht der Priester nach der Wandlung eine Kniebeuge nach den Worten der
Einsetzung der Eucharistie? Wenn es ein Stück Brot wäre, wäre diese Geste
sinnlos. Man macht nicht eine Kniebeuge vor einem Stück Brot, auch wenn wir
vor jedem Stück Brot Ehrfurcht haben müssen und es sicher nicht einfach
wegwerfen dürfen. Aber wir machen die Kniebeuge, weil wir damit durch eine
körperliche Geste zum Ausdruck bringen, es ist der Leib Christi. Ich knie vor
Gott selber nieder, der in der Gestalt des Brotes gegenwärtig ist. Es ist eben
nicht Brot, es ist Leib Christi. Nun wissen wir aber alle: Was wir sehen, was
wir schmecken, was wir berühren, ist doch trotzdem Brot. Wenn Sie die Hostie
unter dem Elektronenmikroskop untersuchen, hat sich durch die Wandlungsworte
absolut nichts an der Hostie verändert, an dem was man sehen kann, was ein
Naturwissenschaftler oder jeder von uns aus der täglichen Erfahrung
feststellen kann. Es bleibt Brot. Es schaut so aus und es schmeckt so.
Trotzdem sagen wir Leib Christi.
Das ist zweifellos eine große Spannung. Wie gehen
wir damit um, etwa in der Erstkommunionvorbereitung? Ist das Brotbacken eine
gute Vorbereitung auf die Kommunion? Sicher ist es wichtig, die Symbolik des
Brotes zu erfassen, in einer Zeit, in der Brot fast nichts mehr wert zu sein
scheint. Aber wie kommt es dann zum Schritt über das Brot hinaus zum Leib
Christi? Ich muss ganz ehrlich sagen, dass das mit zu meinen größten Sorgen
als Bischof gehört, wenn ich einfach beobachte, wie wir mit den
eucharistischen Gestalten, wie wir mit der Kommunion umgehen. Ist es wirklich
uns allen bewusst, wenn wir zur Kommunion gehen: Das ist der Leib des Herrn?
Oft wird einfach nur vom „geweihten Brot geredet.
Die Ostkirche kennt das geweihte Brot. In einem
orthodoxen Gottesdienst gehen wir Katholiken nicht zur Kommunion, weil sie das
ablehnen und wir das respektieren, weil es ihr Verständnis ist. Trotzdem
bekommt man am Ende der Eucharistie oder, wie sie in der Ostkirche sagen, der
Göttlichen Liturgie ein Stück Brot, alle. Es ist ein geweihtes Brot, es ist
nicht die Kommunion. Die Ostkirche nennt es die Eulogie, das gesegnete Brot.
Es ist ein kleiner Überrest von dem, was in der frühen Kirche die Agape war,
das Mahl, das nach der Feier der Eucharistie stattfand. Aber das ist eben das
geweihte Brot. Die Eucharistie ist etwas wesentlich anderes. Sie ist der Leib
Christi und sein Blut.
Wenn man sich dem innersten Geheimnis der
Eucharistie nähert, eben dem Geheimnis der Wandlung, gibt es zwei mögliche
Fehlhaltungen. Die eine könnte man vergleichen mit der Haltung, die Mose beim
brennenden Dornbusch hat. Er ist in der Steppe mit den Herden seines
Schwiegervaters Jitro und sieht plötzlich einen Dornbusch, der brennt aber
nicht verbrennt. Er ist neugierig, will hingehen und er sagt sich: Ich möchte
sehen, was das ist. Ich möchte dahinter kommen. Was ist dieser Dornbusch, der
brennt und nicht verbrennt? Er nähert sich, aber die Stimme Gottes sagt zu
ihm: Halt, geh nicht weiter! Zieh deine Schuhe aus, hier ist heiliger Boden!
Und Mose verhüllt sein Antlitz (vgl. Ex 3,1-5).
Man kann versuchen, beim Geheimnis der Eucharistie
dahinter schauen zu wollen, neugierig hinein schauen zu wollen: Was ist das?
Da wird dann gesagt: „Geheimnis des Glaubens“. Wir hören es in jeder
Eucharistie. Wir ziehen zwar nicht die Schuhe aus, wir verhüllen auch nicht
das Antlitz, aber viele knien nieder oder versuchen auf jeden Fall in eine
Haltung der Verehrung, der Anbetung, des Glaubens zu kommen, nicht des
dahinter Schauens. In meiner heimatlichen Pfarrkirche in Schruns ist direkt
über dem Altar der brennende Dornbusch dargestellt. Als Kind habe ich das oft
gesehen, aber nicht gewusst, warum das dort ist. Später habe ich verstanden,
dass die, die diese neuromanische Kirche im 19. Jahrhundert rundherum ganz
ausgemalt haben, genau wussten: über dem Altar der brennende Dornbusch, das
Symbol für das unfassbare Geheimnis der Eucharistie. Müssen wir nicht sagen:
eigentlich müssten wir vergehen vor Schreck und auch vor Freude, wenn wir
wirklich erfassen würden, was in der Wandlung geschieht.
Die zweite mögliche Fehlhaltung wäre, dass man
sagt: Du musst eben glauben, aber du darfst keine Fragen stellen. Nein, das
ist nicht unsere christliche Einstellung. Man darf fragen. Der Glaube will
verstehen, so wie die Liebe verstehen will. Der Glaube möchte tiefer
eindringen. Aber es muss ein ehrfürchtiges Fragen sein, nicht ein
Rationalismus, eine verkopfte Fragerei, wie sie zum Beispiel in Wien im
Spätmittelalter bei den Theologen sehr üblich war. Wenn Sie auf der
Pilgramkanzel schauen: Da sind die vier Kirchenväter dargestellt. Papst Gregor
hält eine Hostie in der Hand und schaut furchtbar skeptisch drein. Ich tue mir
schwer, zu glauben, dass der, der da draufschaut, glaubt, was er da in der
Hand hält. Vielleicht tue ich dem Meister Pilgram oder dem, der die Kanzel
gestaltet hat, unrecht. Aber es stimmt nachdenklich, wenn man diese Gestalt
sieht. Da ist so viel scholastische Fragerei gewesen in diesem 15.
Jahrhundert, dass der Glaube wirklich zu kurz gekommen ist. Man versteht dann
auch, warum Luther gesagt hat: Schluss mit dieser Diskutiererei, glauben! Sola
fides – der Glaube allein.
Nach diesen Vorbemerkungen lade ich Sie ein: Wagen
wir uns dem Geheimnis zu nähern, in einem Dreischritt. Zuerst möchte ich
hinweisen auf die Art, wie mehr im christlichen Osten auf dieses Geheimnis
zugegangen wird. Dann schauen wir, wie es mehr im christlichen Westen, also
bei uns im Abendland, in der lateinischen Kirche gewesen ist. Beide
Lungenflügel, der Heilige Vater spricht so oft davon, gehören zur Kirche. Die
Kirche atmet mit beiden Lungenflügeln, dem Osten und dem Westen. Den östlichen
Strang kann man auch den „johanneischen“ nennen. Der Apostel Johannes ist
sozusagen der Inbegriff dessen, was der christliche Osten uns zu sagen hat. Im
christlichen Osten betrachtet man das Geheimnis der Wandlung vor allem vom
Geheimnis der Menschwerdung her.
So wie Gott Mensch geworden ist, so wird Christus
Eucharistie. Es ist fast wie eine neue Menschwerdung in der Eucharistie. So
wie Maria vom Heiligen Geist überschattet wurde und Christus empfangen hat, so
kommt der Heilige Geist über Brot und Wein und wandelt sie zum Leib und Blut
Christi. Darum ist auch im christlichen Osten die Anrufung des Heiligen
Geistes so wichtig. In einer orthodoxen – russischen, griechischen … –
Liturgie, wirft sich der Zelebrant, der die Eucharistie feiert, an einem
Moment bis zum Boden nieder, wenn er den Heiligen Geist über die Gaben
herabruft. So wie Maria vom Heiligen Geist empfangen hat, werden diese Gaben,
Brot und Wein, durch die Kraft des Heiligen Geistes ergriffen und gewandelt.
Wir werden uns dieses große Geheimnis gleich ein bisschen näher anschauen.
Die westliche Lungenhälfte der Kirche, die
lateinische Tradition hat einen etwas anderen Zugang. Das sehen wir sehr schön
bei uns in der katholischen, lateinischen Liturgie. Sie geht mehr vom
Schöpferwort aus. So wie Gott, der Schöpfer durch sein mächtiges Wort alles
erschaffen hat, so wandelt sein mächtiges Wort Brot und Wein in den Leib und
das Blut Christi. Darum sind bei uns in der Liturgie die Worte der Wandlung so
wichtig, der feierlichste Moment in der ganzen Messe. Wenn der Priester, der
Bischof die Wandlungsworte spricht, dann ist das die schöpferische Kraft des
Wortes Christi selbst, des Gotteswortes, die die Wandlung bewirkt.
Wenn uns dann noch Zeit bleibt, möchte ich Sie
einladen, in einem dritten Schritt mit mir ein bisschen in die Werkstatt des
hl. Thomas von Aquin zu kommen. Heute ist der 7. März, das war früher immer
das Fest des hl. Thomas von Aquin. Er ist am 7. März 1274 gestorben, also
genau heute vor 730 Jahren. Ich lade Sie ein, in der Werkstatt des hl. Thomas
zu schauen, wie der große Lehre des Geheimnisses der Eucharistie dieses
Geheimnis zu erschließen versucht. Er hat das Fronleichnamsoffizium gedichtet,
die Hymnen, die wir heute noch zu Fronleichnam singen.
Damit wir das besser begreifen können, erklärt er
gewissermaßen sein Kommen auf diese Welt mit der Eucharistie. Die
Menschwerdung ist vergleichbar mit der Eucharistie-Werdung. Natürlich hat das
Johannesevangelium keine ausführliche „spekulative Eucharistielehre“. Aber
Jesus macht einen Schritt weiter und sagt: „Wer mein Fleisch ist und mein Blut
trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (54). Er selber ist das Brot
Gottes, und wir sollen ihn essen, um von ihm zu leben. Die Menschen haben sich
schon damals die Frage gestellt, das berichtet das Evangelium: Kann man so
etwas überhaupt annehmen, sein Fleisch essen, sein Blut trinken? Manche haben
gesagt, dass ist geistig, symbolisch zu verstehen. Das ist zu verstehen vom
Glauben. Denn Jesus sagt ja selber: „Wer Glaubt hat das ewige Leben“ (47). –
„Ich bin das Brot des Lebens.“ Also geht es um das Glauben. Wer Jesus glaubt,
der isst ihn gewissermaßen. Aber der Evangelist Johannes zögert nicht, hier
ein ganz realistisches Wort zu gebrauchen: „Wer mein Fleisch isst“ – er
gebraucht ein Wort, das eigentlich etwas schockierend ist, er sagt: „Wer mein
Fleisch beißt“ – also wirklich isst – „und wer mein Blut trinkt, hat das ewige
Leben.“ Dann sagt er aber: „Wer glaubt, hat das ewige Leben.“ Ich habe schon
einmal die Frage aufgeworfen, wie schockierend das gerade für die Juden sein
musste, denen ja der Blutgenuss verboten ist. Da sagt Jesus, dass man sein
Blut trinken soll. Ist das nicht doch einfach vom Glauben gemeint? Wer glaubt,
der kommuniziert mit Jesus. Aber wir kommen nicht umhin, hier beides zu sehen.
Es geht um den Glauben, das stimmt. Aber es
geht auch um Fleisch und Blut Jesu. Ein ganz früher Kirchenvater, der hl.
Ignatius von Antiochien (†vor 117) hat im Blick auf diese Rede Jesu gesagt,
von denen die das ablehnen: „Sie halten sich von Eucharistie und Gebet fern,
weil sie nicht bekennen, dass die Eucharistie das Fleisch unseres Erlösers
Jesus Christus ist, der für unsere Sünden gelitten hat“ (Brief an die Smyrnäer
7,1). Das schreibt ein Bischof um das Jahr 100. Er war sich ganz bewusst:
Jesus hat wirklich gemeint, wir sollen sein Fleisch essen und sein Blut
trinken.
Aber wie kommt das zustande? Jesus hat beim
Abendmahl nicht im wörtlichen Sinne ein Stück Fleisch, sondern Brot gegeben
und den Becher mit Wein. Trotzdem sagt er, man soll sein Fleisch essen und
sein Blut trinken. Ich zitiere noch einen frühen christlichen Autor. Es ist
gut so hineinzuhorchen in die Frühzeit des Christentums. Wie haben die ersten
Christen das verstanden? Für die war das schockierend. Man hat sich im
römischen Reich lustig gemacht über die Christen, dass das Menschenfresser
seien, „Anthropophagen“. Sie essen Menschenfleisch und trinken Menschenblut.
Später haben die Christen das leider gegen die Juden gewendet mit den
Kindermordlegenden. Justin, ein Philosoph, ein Christ, ein Märtyrer (†um 165)
schreibt um das Jahr 150 dem Kaiser, was die Christen da tun. Er sagt: „Nicht
als gewöhnliches Brot und gewöhnlichen Trank nehmen wir (die Eucharistie).
Vielmehr auf die gleiche Weise, wie der durch Gottes Wort fleischgewordene
Jesus Christus, unser Erlöser, um unserer Erlösung willen Fleisch und Blut
angenommen hat, so ist nach unserer Lehre auch die Speise, die durch ein Gebet
um den von Gott stammenden Logos, um das von Gott stammende Wort, zur
Eucharistie geworden ist, das Fleisch und Blut des fleischgewordenen Jesus“
(Apologie I,66).
So wie die Menschwerdung, so die
Eucharistie-Werdung. Gottes Wort ist Fleisch geworden, und so wird diese
Speise durch dasselbe Wort, durch denselben Geist Leib und Blut Christi. Er
fügt etwas hinzu, um den armen Kaiser, der sich wahrscheinlich schwer getan
hat, wenn er es überhaupt gelesen hat, zu verstehen, was denn die Christen da
für seltsame Ansichten haben: „… wie auch sonst bei uns Fleisch und Blut aus
Speise gebildet werden aufgrund der (Nahrungs)umwandlung“ (ebd.). Wenn wir
essen, wird die Nahrung umgewandelt in unseren Leib. So versucht er dem Kaiser
zu erklären, wie das funktioniert, dass die natürliche Speise durch eine
Umwandlung zum Leib und Blut Christi wird. Wie ist diese Umwandlung zu
verstehen? Er gebraucht das griechische Wort metabole. Wir kennen das aus der
Medizin, der Metabolismus ist der Stoffwechsel. Es ist so etwas wie ein
Stoffwechsel. Brot und Wein werden gewandelt in Leib und Blut Christi. Um das
dem Kaiser und den Heiden, die diese Apologie lesen, ein wenig verständlich zu
machen, bezieht er sich auf die ganz natürliche Speisenaufnahme.
Was geschieht also mit Brot und Wein, wenn der
Logos, das Wort Gottes heruntersteigt auf dieses Brot, wie der Märtyrer und
Philosoph Justin sagt? In der alten Sprache war das Wort Metabolismus auch ein
Begriff aus dem Geldgeschäft. Wenn man etwas auf ein anderes Konto überträgt,
und so hat man versucht zu sagen, das ist so, wie wenn dieses Brot aus seinem
natürlichen Zusammenhang in einen neuen Zusammenhang übertragen wird. Es wird
Christus zueigen. Es wird gewissermaßen von Christus in Beschlag genommen
oder, wie ein frühchristlicher Katechet, Cyrill von Jerusalem (†386), sagt:
Der Heilige Geist wird herabgerufen, „damit er das Brot zum Leib Christi, den
Wein zum Blut Christi macht, denn alles, was der Heilige Geist ergreift, ist
geheiligt und gewandelt“ (Mystagog. Katechesen 5,7). Der Heilige Geist
enteignet gewissermaßen das Brot und macht es zum Leib Christi. Brot und Wein
verlieren gewissermaßen ihre natürliche Selbständigkeit und werden überstellt
in das Eigentum Christi. Sie werden sein Leib und sein Blut. Damit haben wir
natürlich das Geheimnis nicht gelüftet. Es ist ein Versuch, sich diesem
Geheimnis anzunähern.
Nun sagt der hl. Ambrosius: Schau in der Bibel!
Wie viele Beispiele gibt es, dass die Macht des Wortes Gottes etwas verändert,
etwas verwandelt, wenn der Schöpfer mit seiner Macht zum Beispiel den Stab des
Mose in eine Schlange verwandelt oder wenn auf die Bitte des Elija hin Feuer
vom Himmel herabfällt auf das Opfer. Dann bezieht er sich auf die Wunder Jesu,
wo Jesus einfach ein Wort sagt, und es geschieht Heilung. Dann sagt er: Wenn
das Wort Gottes so eine Macht hat, muss es da für das machtvolle Wort Gottes
nicht leichter sein, etwas schon Bestehendes zu wandeln, als es aus dem Nichts
zu schaffen? Wenn Gott alles aus dem Nichts geschaffen hat, dann kann doch
seine Macht auch Brot in den Leib Christi wandeln (vgl. De Mysteriis IX,52; De
Sacram. IV,20). Er gebraucht dafür auch ein Wort, das uns sehr vertraut ist.
Das ist eine conversio, eine Wandlung. Dasselbe Wort heißt aber auch
Bekehrung.
Da ist etwas Grundlegendes geschehen mit Brot und
Wein, sie sind „konvertiert“, sie sind gewandelt. So wie der Getaufte bei
Paulus ein neues Geschöpf genannt wird, eine neue Kreatur, so werden auch
durch das Wort Gottes das Brot und der Wein gewandelt. So erleben wir es ja
tatsächlich bei der Messe, wenn Brot und Wein durch das Wort Jesu gewandelt
werden.
Über die Frage der Wandlung hat das Abendland
Jahrhunderte lang intensiv nachgedacht. Das können wir in dieser Katechese
nicht nachholen. Aber ich möchte Sie heute ein wenig aus Anlass des Tages des
hl. Thomas in seine Werkstatt führen. Ich muss gleich warnen: Diese Werkstatt
ist ein bisschen trocken. Dort sieht man nicht sehr spannende Dinge, oder man
sieht sie nur, wenn man sich darauf einlässt. Es ist dort sehr handwerklich,
sehr technisch. Gleichzeitig merkt man bei diesem großen, gewaltigen Denker,
dass das Herz brennend war, auch wenn die Sprache sehr nüchtern ist.
Gehen wir davon aus: Brot bleibt Brot, dem
Aussehen nach. Wir aber glauben, der Leib Christi ist auf dem Altar. Da haben
mittelalterliche Menschen die Frage gestellt: Wenn das der Leib Christi ist,
der auf dem Altar liegt, und wenn viele Messen gefeiert wurden, früher auf
allen Seitenaltären auch noch, dann wächst ja der Leib Christi ständig. Mit
jeder Messe wird der Leib Christi immer größer. Das kann doch nicht stimmen.
Oder man hat die Frage gestellt, wie ist das, wenn Christus herunterkommt auf
den Altar und hier gegenwärtig wird. Verlässt er dann den Himmel? Ist er dann
hier? Aber kann er dann auch gleichzeitig anderswo sein? Wir lächeln
vielleicht über diese Fragen, aber sie haben Jahrhunderte lang die Gemüter
bewegt. Selbst Luther und Calvin haben sich fast die Schädel eingeschlagen
über diese Frage. Wenn Christus jetzt im Himmel ist, kann er dann überhaupt
auf unsere Altäre herabkommen? Würde dann der Leib Christi nicht geteilt
werden?
Wenn das Brot gewandelt ist in den Leib Christi
und man es bricht, wird dann der Leib Christi gebrochen? Ist es nicht viel
sinnvoller zu sagen, wie es dann zum Beispiel eben die protestantische
Reformation großteils gesagt hat, vor allem Johannes Calvin (†1564), dass das
Brot Brot bleibt, aber ein Zeichen ist, das uns an Christus erinnert, das
unseren Glauben zu Christus emporhebt? Dieses Brot erinnert uns an ihn. Es
verweist uns auf ihn. Wenn ich glaube, dann bin ich mit ihm in Verbindung. Ist
das nicht viel würdiger, als diese Idee, dass das Brot wirklich Leib Christi
wird? Die Kirche hat diese Lehre, etwa von Calvin, abgelehnt.
Schauen wir ganz kurz hinein, wie der hl. Thomas
das macht. Er geht zuerst einmal von einer ganz einfachen Feststellung aus,
die uns schon die ganze Zeit begleitet hat. Man kann, sagt er, nicht mit den
Sinnen erfassen, dass Christus in diesem Sakrament ist, sondern sola fide –
ein berühmtes Wort, das Martin Luther auch oft gesagt hat: alleine mit dem
Glauben. Nur mit dem Glauben kann ich es erfassen. Aber ist es sinnvoll, das
zu glauben? Der hl. Thomas sagt: Etwas zu glauben, was völlig unsinnig ist,
wäre unmenschlich. Ich kann nicht von der Kirche oder gar von Christus selber
genötigt werden, etwas zu glauben, was unsinnig ist. So sucht er Gründe, mit
denen man sagen kann: Doch, das ist sinnvoll, dass das Brot wirklich der Leib
Christi und der Wein wirklich sein Blut wird.
Ich nenne nur einen Grund, den er anführt, weil er
mir besonders sympathisch ist: Jesus wollte uns seine Freundschaft zeigen. Wie
zeigt man seine Freundschaft? Nicht, indem man möglichst viel weg ist, sondern
indem man möglichst viel bei den Freunden ist. Freunde wollen bei einander
sein. Jesus ist von uns weggegangen, sichtbar, aber er will als Freund bei uns
bleiben. Er will mit seinen Freunden sein. Deshalb hat er diesen Weg gefunden,
um bei uns zu sein. Mir gefällt dieses Argument sehr, um zu ahnen, warum das
sinnvoll ist, dass Jesus so bei uns sein will (Thomas v. Aquin, Summa
Theologica III,75,1).
Jetzt wird es etwas mühsam und trocken. Der wahre
Leib Christi ist in diesem Sakrament, aber man sieht ihn nicht. Wie ist der
wahre Leib Christi sozusagen in das Brot gekommen? Der hl. Thomas sagt: Wie
kommt etwas dorthin, wo es vorher nicht war? Ein ganz einfache Frage. Es gibt
zwei Möglichkeiten. Er nimmt das Beispiel: Wie kommt das Feuer in ein Haus,
wenn es zu brennen anfängt? Entweder bringt man es von außen herein, das ist
beim Stephansdom passiert, Funken haben das Feuer in den Dachstuhl getragen,
oder etwas im Haus selber fängt Feuer und verwandelt etwa das Holz in Feuer.
Nun sagt der hl. Thomas: Jesus kommt nicht auf den Altar, indem er sozusagen
eine Himmelsreise macht. Er verlässt nicht den Himmel, um zu uns zu kommen.
Jesus kommt zu uns nicht – jetzt seien sie nicht schockiert darüber – in einer
örtlichen Gegenwart. Er ist nicht so hier, wie wir jetzt hier sind, örtlich,
mit unserem Leib. Wie kommt er? Er kommt durch eine Wandlung, dass das Brot
sich wandelt in seinen Leib. Wie kann das geschehen? Wenn wir anschauen: Wie
wandelt sich etwas, in dem weiten Feld unserer Beobachtungen? Ich nehme einen
Batzen Lehm und forme daraus eine Vase oder eine Figur, eine Statue. Aber ich
kann immer nur den Lehm verändern. Ich gestalte ihn. Oder die Erziehung: Der
kleine Fritz wird von seinen Eltern erzogen, und da wandelt sich etwas an ihm.
Etwas entwickelt sich. Aber wenn er kein Genie ist, kein Einstein und kein
Mozart, dann wird aus ihm auch kein Mozart und kein Einstein werden. Er kann
nur das werden, was in ihm möglich ist.
Alle Wandlungen, die wir kennen und beobachten
können, sind immer nur Veränderungen. Auch unsere Wandlung, einmal war ich ein
Kind, jetzt bin ich schon fast ein Opa, ein älterer Mensch – es ist immer noch
derselbe, aber er hat sich sehr gewandelt. Etwas ist gleich geblieben,
gleichzeitig hat sich etwas geändert. Was wir beobachten können, sagt der hl.
Thomas in seiner Werkstattsprache, sind „Formwandlungen“. Die Formen wandeln
sich. Jetzt kommt das entscheidende Wort: Es sind keine „Wesenswandlungen“.
Das Wesen bleibt dasselbe. Das kleine Kind und der alte Mann sind dasselbe
Menschenwesen. Sie haben sich viel gewandelt von der Kindheit bis zum Alter.
Substanzwandlungen, Wesenswandlungen kennen wir eigentlich in unserer Umwelt,
in unserer Erfahrungswelt nicht. Und da sagt der hl. Thomas: Das liegt daran,
dass wir nur die Macht haben, etwas zu verändern, zu gestalten, aber wir
können nicht ein Wesen neu schaffen. Wir können immer nur gestalten. Gott
allein hat die Macht, das Wesen zu wandeln. Gott hat sozusagen Zugriff auf das
Innerste der Wirklichkeit. Er kann aus nichts die Welt schaffen, er kann zu
seinem Leib Brot wandeln. Gott allein kann das Wesen wandeln. Wir können immer
nur das Äußere, die Gestalt, die Form wandeln. Deshalb hat die Kirche ein Wort
geprägt, der hl. Thomas gebraucht es ganz selten, das aber doch zur
Glaubenssprache gehört: Die Wandlung ist eine Transsubstantiation.
Ich habe schon gesagt: Das muss man nicht wissen,
um in den Himmel zu kommen. Es ist ein Versuch, mit dem Denken diesem
wunderbaren Geheimnis nahe zu kommen, dass Jesus wirklich gegenwärtig wird,
dass das Brot eben nicht mehr Brot ist, sondern Leib Christi und der Wein Blut
Christi. Das nennt der hl. Thomas die Transsubstantiation. Aber er fügt gleich
hinzu: Das ist ein Geheimnis des Glaubens. Fast hat man den Eindruck, mit
einem Seufzer der Erleichterung sagt er: Diese Wandlung ist tatsächlich aus
verschiedenen Gründen schwieriger zu verstehen, als selbst die Schöpfung. Das
Geheimnis der Schöpfung, das Geheimnis der Wandlung (III,75,4).
Ich komme zur Schlussfolgerung. Der hl. Thomas,
der so tief nachgedacht hat – das war ein ganz kurzer Besuch in seiner
Werkstatt, wir könnten stundenlang durch die einzelnen Ateliers bei ihm gehen
und schauen, wie er alle einzelnen Elemente dieser Frage durchdenkt – schreibt
am Schluss das ganz schlichte: Adoro te devote, latens Deitas – Ich bete dich
an, verborgene Gottheit (Gottheit tief verborgen, GL 546). Drei kurze
Stichworte zum Schluss. Warum ist dieses Geheimnis der Wandlung so wichtig,
das Geheimnis unseres Glaubens?
1. Die eucharistische Wandlung stärkt unseren
Glauben, den Glauben daran, dass Christi Wort so mächtig ist und dass sein
Geist so mächtig ist, dass er aus Sündern Gerechte, aus Verlorenen Gerettete,
aus Menschenkindern Gotteskinder machen kann. Das Geheimnis der Wandlung
stärkt unseren Glauben. Jedes Mal, wenn ich wieder sage: Herr ich glaube: dein
Leib, dein Blut, dann wächst auch mein Glaube in Gottes Wirken.
2. Die eucharistische Wandlung stärkt unsere
Hoffnung, dass dieses kleine Stück Brot und diese Frucht des Weinstock und der
menschlichen Arbeit gewandelt werden und sozusagen schon der Anfang einer
neuen Welt sind. Einmal wird Gott alles verwandeln, alle Tränen abwischen. Es
wird ein neuer Himmel und eine neue Erde sein. Eine neue Schöpfung. Gott
schenkt uns gewissermaßen in dieser Wandlung schon den Anfang der neuen
Schöpfung. Eine große Quelle der Hoffnung.
3. Die eucharistische Wandlung stärkt unsere
Liebe. Christus will sich uns so intensiv, so innig schenken, dass er sich uns
zur Speise gibt. Er bedient sich der Brotgestalt und der Weingestalt, um sich
selber zu schenken. Damit macht er uns Hoffnung, dass wir selber gewandelt
werden. Er stärkt unsere Liebe zu ihm, der uns wandeln kann. |