6. Katechese 2003/04 am 7. März 2004

 "Die Wandlung"  

 

Christus ist in der Gestalt des Brotes gegenwärtig. Es ist eben nicht Brot, es ist Leib Christi. Nun wissen wir aber alle: Was wir sehen, was wir schmecken, was wir berühren, ist doch trotzdem Brot. Was heißt das, dass wir sagen Leib Christi und nicht Brot Christi?

 

Lasset uns beten! Herr, in deiner Liebe wolltest du immer bei uns sein. Du schenkst uns deine Gegenwart im Geheimnis der Eucharistie als Unterpfand der kommenden Herrlichkeit. Lass uns mit dem Herzen, mit dem Verstand, mit dem Glauben erfassen, was deine Liebe uns in diesem Geheimnis schenkt. Amen.

I.

In den Vereinigten Staaten bin ich einem Multiple-Sklerose-Kranken begegnet, der schon im Rollstuhl sitzt und zudem ein Zöliakie-Kranker ist. Bis vor kurzem wusste ich nicht genau, was das ist. Inzwischen weiß ich es: Menschen, die auf das Gluten in der Hostie empfindlich sind und es nicht vertragen. Da stellt sich die Frage: Können die mit einer anderen Materie, also einem glutenfreien Hostienbrot kommunizieren? Darüber gab es vor kurzem auch Studien und Überlegungen der Glaubenskongregation. Wir haben es in der Bischofskonferenz diskutiert. Ich habe zu diesem Mann gesagt: Sie können ja glutenarme Hostien für die Kommunion verwenden. Darauf gibt er mir die Antwort: „Ich esse ja nicht Brot, ich empfange den Leib Christi.“ Ich war sehr überrascht darüber, und ich empfehle keinem Zöliakie-Kranken sich genau an dieses Vorbild zu halten. Aber das das Zeugnis dieses überzeugten Katholiken hat mich beeindruckt: Was ich empfange ist nicht Brot, sondern es ist der Leib Christi.

Genau um diese Frage geht es in unserer heutigen Katechese: Was heißt das, dass wir sagen Leib Christi und nicht Brot Christi? Warum macht der Priester nach der Wandlung eine Kniebeuge nach den Worten der Einsetzung der Eucharistie? Wenn es ein Stück Brot wäre, wäre diese Geste sinnlos. Man macht nicht eine Kniebeuge vor einem Stück Brot, auch wenn wir vor jedem Stück Brot Ehrfurcht haben müssen und es sicher nicht einfach wegwerfen dürfen. Aber wir machen die Kniebeuge, weil wir damit durch eine körperliche Geste zum Ausdruck bringen, es ist der Leib Christi. Ich knie vor Gott selber nieder, der in der Gestalt des Brotes gegenwärtig ist. Es ist eben nicht Brot, es ist Leib Christi. Nun wissen wir aber alle: Was wir sehen, was wir schmecken, was wir berühren, ist doch trotzdem Brot. Wenn Sie die Hostie unter dem Elektronenmikroskop untersuchen, hat sich durch die Wandlungsworte absolut nichts an der Hostie verändert, an dem was man sehen kann, was ein Naturwissenschaftler oder jeder von uns aus der täglichen Erfahrung feststellen kann. Es bleibt Brot. Es schaut so aus und es schmeckt so. Trotzdem sagen wir Leib Christi.
 

Das ist zweifellos eine große Spannung. Wie gehen wir damit um, etwa in der Erstkommunionvorbereitung? Ist das Brotbacken eine gute Vorbereitung auf die Kommunion? Sicher ist es wichtig, die Symbolik des Brotes zu erfassen, in einer Zeit, in der Brot fast nichts mehr wert zu sein scheint. Aber wie kommt es dann zum Schritt über das Brot hinaus zum Leib Christi? Ich muss ganz ehrlich sagen, dass das mit zu meinen größten Sorgen als Bischof gehört, wenn ich einfach beobachte, wie wir mit den eucharistischen Gestalten, wie wir mit der Kommunion umgehen. Ist es wirklich uns allen bewusst, wenn wir zur Kommunion gehen: Das ist der Leib des Herrn? Oft wird einfach nur vom „geweihten Brot geredet.

Die Ostkirche kennt das geweihte Brot. In einem orthodoxen Gottesdienst gehen wir Katholiken nicht zur Kommunion, weil sie das ablehnen und wir das respektieren, weil es ihr Verständnis ist. Trotzdem bekommt man am Ende der Eucharistie oder, wie sie in der Ostkirche sagen, der Göttlichen Liturgie ein Stück Brot, alle. Es ist ein geweihtes Brot, es ist nicht die Kommunion. Die Ostkirche nennt es die Eulogie, das gesegnete Brot. Es ist ein kleiner Überrest von dem, was in der frühen Kirche die Agape war, das Mahl, das nach der Feier der Eucharistie stattfand. Aber das ist eben das geweihte Brot. Die Eucharistie ist etwas wesentlich anderes. Sie ist der Leib Christi und sein Blut.

II.

Ich möchte in dieser Katechese mit Ihnen ein wenig in dieses Geheimnis der Wandlung hineinhorchen. Was geschieht da? Vorweg möchte ich sagen: Alles, was ich im Folgenden jetzt sagen werde, brauchen Sie nicht zu wissen, um in den Himmel zu kommen. Es zu wissen ist nicht heilsnotwendig. Es mag aber vielleicht ein wenig den Glauben stärken. Es mag ein wenig auch das Nachdenken über den Glauben unterstützen.

Wenn man sich dem innersten Geheimnis der Eucharistie nähert, eben dem Geheimnis der Wandlung, gibt es zwei mögliche Fehlhaltungen. Die eine könnte man vergleichen mit der Haltung, die Mose beim brennenden Dornbusch hat. Er ist in der Steppe mit den Herden seines Schwiegervaters Jitro und sieht plötzlich einen Dornbusch, der brennt aber nicht verbrennt. Er ist neugierig, will hingehen und er sagt sich: Ich möchte sehen, was das ist. Ich möchte dahinter kommen. Was ist dieser Dornbusch, der brennt und nicht verbrennt? Er nähert sich, aber die Stimme Gottes sagt zu ihm: Halt, geh nicht weiter! Zieh deine Schuhe aus, hier ist heiliger Boden! Und Mose verhüllt sein Antlitz (vgl. Ex 3,1-5).

Man kann versuchen, beim Geheimnis der Eucharistie dahinter schauen zu wollen, neugierig hinein schauen zu wollen: Was ist das? Da wird dann gesagt: „Geheimnis des Glaubens“. Wir hören es in jeder Eucharistie. Wir ziehen zwar nicht die Schuhe aus, wir verhüllen auch nicht das Antlitz, aber viele knien nieder oder versuchen auf jeden Fall in eine Haltung der Verehrung, der Anbetung, des Glaubens zu kommen, nicht des dahinter Schauens. In meiner heimatlichen Pfarrkirche in Schruns ist direkt über dem Altar der brennende Dornbusch dargestellt. Als Kind habe ich das oft gesehen, aber nicht gewusst, warum das dort ist. Später habe ich verstanden, dass die, die diese neuromanische Kirche im 19. Jahrhundert rundherum ganz ausgemalt haben, genau wussten: über dem Altar der brennende Dornbusch, das Symbol für das unfassbare Geheimnis der Eucharistie. Müssen wir nicht sagen: eigentlich müssten wir vergehen vor Schreck und auch vor Freude, wenn wir wirklich erfassen würden, was in der Wandlung geschieht.

Die zweite mögliche Fehlhaltung wäre, dass man sagt: Du musst eben glauben, aber du darfst keine Fragen stellen. Nein, das ist nicht unsere christliche Einstellung. Man darf fragen. Der Glaube will verstehen, so wie die Liebe verstehen will. Der Glaube möchte tiefer eindringen. Aber es muss ein ehrfürchtiges Fragen sein, nicht ein Rationalismus, eine verkopfte Fragerei, wie sie zum Beispiel in Wien im Spätmittelalter bei den Theologen sehr üblich war. Wenn Sie auf der Pilgramkanzel schauen: Da sind die vier Kirchenväter dargestellt. Papst Gregor hält eine Hostie in der Hand und schaut furchtbar skeptisch drein. Ich tue mir schwer, zu glauben, dass der, der da draufschaut, glaubt, was er da in der Hand hält. Vielleicht tue ich dem Meister Pilgram oder dem, der die Kanzel gestaltet hat, unrecht. Aber es stimmt nachdenklich, wenn man diese Gestalt sieht. Da ist so viel scholastische Fragerei gewesen in diesem 15. Jahrhundert, dass der Glaube wirklich zu kurz gekommen ist. Man versteht dann auch, warum Luther gesagt hat: Schluss mit dieser Diskutiererei, glauben! Sola fides – der Glaube allein.

Nach diesen Vorbemerkungen lade ich Sie ein: Wagen wir uns dem Geheimnis zu nähern, in einem Dreischritt. Zuerst möchte ich hinweisen auf die Art, wie mehr im christlichen Osten auf dieses Geheimnis zugegangen wird. Dann schauen wir, wie es mehr im christlichen Westen, also bei uns im Abendland, in der lateinischen Kirche gewesen ist. Beide Lungenflügel, der Heilige Vater spricht so oft davon, gehören zur Kirche. Die Kirche atmet mit beiden Lungenflügeln, dem Osten und dem Westen. Den östlichen Strang kann man auch den „johanneischen“ nennen. Der Apostel Johannes ist sozusagen der Inbegriff dessen, was der christliche Osten uns zu sagen hat. Im christlichen Osten betrachtet man das Geheimnis der Wandlung vor allem vom Geheimnis der Menschwerdung her.

So wie Gott Mensch geworden ist, so wird Christus Eucharistie. Es ist fast wie eine neue Menschwerdung in der Eucharistie. So wie Maria vom Heiligen Geist überschattet wurde und Christus empfangen hat, so kommt der Heilige Geist über Brot und Wein und wandelt sie zum Leib und Blut Christi. Darum ist auch im christlichen Osten die Anrufung des Heiligen Geistes so wichtig. In einer orthodoxen – russischen, griechischen … – Liturgie, wirft sich der Zelebrant, der die Eucharistie feiert, an einem Moment bis zum Boden nieder, wenn er den Heiligen Geist über die Gaben herabruft. So wie Maria vom Heiligen Geist empfangen hat, werden diese Gaben, Brot und Wein, durch die Kraft des Heiligen Geistes ergriffen und gewandelt. Wir werden uns dieses große Geheimnis gleich ein bisschen näher anschauen.

Die westliche Lungenhälfte der Kirche, die lateinische Tradition hat einen etwas anderen Zugang. Das sehen wir sehr schön bei uns in der katholischen, lateinischen Liturgie. Sie geht mehr vom Schöpferwort aus. So wie Gott, der Schöpfer durch sein mächtiges Wort alles erschaffen hat, so wandelt sein mächtiges Wort Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi. Darum sind bei uns in der Liturgie die Worte der Wandlung so wichtig, der feierlichste Moment in der ganzen Messe. Wenn der Priester, der Bischof die Wandlungsworte spricht, dann ist das die schöpferische Kraft des Wortes Christi selbst, des Gotteswortes, die die Wandlung bewirkt.

Wenn uns dann noch Zeit bleibt, möchte ich Sie einladen, in einem dritten Schritt mit mir ein bisschen in die Werkstatt des hl. Thomas von Aquin zu kommen. Heute ist der 7. März, das war früher immer das Fest des hl. Thomas von Aquin. Er ist am 7. März 1274 gestorben, also genau heute vor 730 Jahren. Ich lade Sie ein, in der Werkstatt des hl. Thomas zu schauen, wie der große Lehre des Geheimnisses der Eucharistie dieses Geheimnis zu erschließen versucht. Er hat das Fronleichnamsoffizium gedichtet, die Hymnen, die wir heute noch zu Fronleichnam singen.

III.

Schauen wir zuerst die östliche Lungenhälfte an. Ausgangspunkt ist dabei das, was Jesus in Kafarnaum in der Synagoge gesagt hat, die große Rede über das Lebensbrot, das vom Himmel herabgekommen ist. Im Johannesevangelium sehen wir, wie Jesus in der Synagoge von Kafarnaum seinen einfachen Zuhörern eine gewaltige Schau öffnet. Sie hatten sicher manche Schwierigkeiten, diese tiefen und gewaltigen Worte aufzunehmen. „Das Brot Gottes“, sagt er, „ist der, welcher vom Himmel herabgekommen ist und der Welt Leben gibt“ (Joh 6,35). „Ich bin das Brot des Lebens“ (35). „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“ (51). Was Jesus da sagt, ist ein Zugang zum Geheimnis der Eucharistie. Sein ganzes Leben ist Brot des Lebens. Er ist sozusagen mit seinem ganzen Wesen für die Menschen Brot, von dem sie leben können. Er ist Lebensmittel.

Damit wir das besser begreifen können, erklärt er gewissermaßen sein Kommen auf diese Welt mit der Eucharistie. Die Menschwerdung ist vergleichbar mit der Eucharistie-Werdung. Natürlich hat das Johannesevangelium keine ausführliche „spekulative Eucharistielehre“. Aber Jesus macht einen Schritt weiter und sagt: „Wer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (54). Er selber ist das Brot Gottes, und wir sollen ihn essen, um von ihm zu leben. Die Menschen haben sich schon damals die Frage gestellt, das berichtet das Evangelium: Kann man so etwas überhaupt annehmen, sein Fleisch essen, sein Blut trinken? Manche haben gesagt, dass ist geistig, symbolisch zu verstehen. Das ist zu verstehen vom Glauben. Denn Jesus sagt ja selber: „Wer Glaubt hat das ewige Leben“ (47). – „Ich bin das Brot des Lebens.“ Also geht es um das Glauben. Wer Jesus glaubt, der isst ihn gewissermaßen. Aber der Evangelist Johannes zögert nicht, hier ein ganz realistisches Wort zu gebrauchen: „Wer mein Fleisch isst“ – er gebraucht ein Wort, das eigentlich etwas schockierend ist, er sagt: „Wer mein Fleisch beißt“ – also wirklich isst – „und wer mein Blut trinkt, hat das ewige Leben.“ Dann sagt er aber: „Wer glaubt, hat das ewige Leben.“ Ich habe schon einmal die Frage aufgeworfen, wie schockierend das gerade für die Juden sein musste, denen ja der Blutgenuss verboten ist. Da sagt Jesus, dass man sein Blut trinken soll. Ist das nicht doch einfach vom Glauben gemeint? Wer glaubt, der kommuniziert mit Jesus. Aber wir kommen nicht umhin, hier beides zu sehen.

 Es geht um den Glauben, das stimmt. Aber es geht auch um Fleisch und Blut Jesu. Ein ganz früher Kirchenvater, der hl. Ignatius von Antiochien (†vor 117) hat im Blick auf diese Rede Jesu gesagt, von denen die das ablehnen: „Sie halten sich von Eucharistie und Gebet fern, weil sie nicht bekennen, dass die Eucharistie das Fleisch unseres Erlösers Jesus Christus ist, der für unsere Sünden gelitten hat“ (Brief an die Smyrnäer 7,1). Das schreibt ein Bischof um das Jahr 100. Er war sich ganz bewusst: Jesus hat wirklich gemeint, wir sollen sein Fleisch essen und sein Blut trinken.

Aber wie kommt das zustande? Jesus hat beim Abendmahl nicht im wörtlichen Sinne ein Stück Fleisch, sondern Brot gegeben und den Becher mit Wein. Trotzdem sagt er, man soll sein Fleisch essen und sein Blut trinken. Ich zitiere noch einen frühen christlichen Autor. Es ist gut so hineinzuhorchen in die Frühzeit des Christentums. Wie haben die ersten Christen das verstanden? Für die war das schockierend. Man hat sich im römischen Reich lustig gemacht über die Christen, dass das Menschenfresser seien, „Anthropophagen“. Sie essen Menschenfleisch und trinken Menschenblut. Später haben die Christen das leider gegen die Juden gewendet mit den Kindermordlegenden. Justin, ein Philosoph, ein Christ, ein Märtyrer (†um 165) schreibt um das Jahr 150 dem Kaiser, was die Christen da tun. Er sagt: „Nicht als gewöhnliches Brot und gewöhnlichen Trank nehmen wir (die Eucharistie). Vielmehr auf die gleiche Weise, wie der durch Gottes Wort fleischgewordene Jesus Christus, unser Erlöser, um unserer Erlösung willen Fleisch und Blut angenommen hat, so ist nach unserer Lehre auch die Speise, die durch ein Gebet um den von Gott stammenden Logos, um das von Gott stammende Wort, zur Eucharistie geworden ist, das Fleisch und Blut des fleischgewordenen Jesus“ (Apologie I,66).

So wie die Menschwerdung, so die Eucharistie-Werdung. Gottes Wort ist Fleisch geworden, und so wird diese Speise durch dasselbe Wort, durch denselben Geist Leib und Blut Christi. Er fügt etwas hinzu, um den armen Kaiser, der sich wahrscheinlich schwer getan hat, wenn er es überhaupt gelesen hat, zu verstehen, was denn die Christen da für seltsame Ansichten haben: „… wie auch sonst bei uns Fleisch und Blut aus Speise gebildet werden aufgrund der (Nahrungs)umwandlung“ (ebd.). Wenn wir essen, wird die Nahrung umgewandelt in unseren Leib. So versucht er dem Kaiser zu erklären, wie das funktioniert, dass die natürliche Speise durch eine Umwandlung zum Leib und Blut Christi wird. Wie ist diese Umwandlung zu verstehen? Er gebraucht das griechische Wort metabole. Wir kennen das aus der Medizin, der Metabolismus ist der Stoffwechsel. Es ist so etwas wie ein Stoffwechsel. Brot und Wein werden gewandelt in Leib und Blut Christi. Um das dem Kaiser und den Heiden, die diese Apologie lesen, ein wenig verständlich zu machen, bezieht er sich auf die ganz natürliche Speisenaufnahme.

Was geschieht also mit Brot und Wein, wenn der Logos, das Wort Gottes heruntersteigt auf dieses Brot, wie der Märtyrer und Philosoph Justin sagt? In der alten Sprache war das Wort Metabolismus auch ein Begriff aus dem Geldgeschäft. Wenn man etwas auf ein anderes Konto überträgt, und so hat man versucht zu sagen, das ist so, wie wenn dieses Brot aus seinem natürlichen Zusammenhang in einen neuen Zusammenhang übertragen wird. Es wird Christus zueigen. Es wird gewissermaßen von Christus in Beschlag genommen oder, wie ein frühchristlicher Katechet, Cyrill von Jerusalem (†386), sagt: Der Heilige Geist wird herabgerufen, „damit er das Brot zum Leib Christi, den Wein zum Blut Christi macht, denn alles, was der Heilige Geist ergreift, ist geheiligt und gewandelt“ (Mystagog. Katechesen 5,7). Der Heilige Geist enteignet gewissermaßen das Brot und macht es zum Leib Christi. Brot und Wein verlieren gewissermaßen ihre natürliche Selbständigkeit und werden überstellt in das Eigentum Christi. Sie werden sein Leib und sein Blut. Damit haben wir natürlich das Geheimnis nicht gelüftet. Es ist ein Versuch, sich diesem Geheimnis anzunähern.

IV.

Schauen wir uns an, wie das die westliche Tradition, die andere Lungenhälfte macht. Da ist der große Katechet, der Vorgänger von Kardinal Martini in Mailand, der auch ein großer Katechet ist, der hl. Ambrosius (†397), der den Neugetauften, die in der Osternacht, nach der Taufe zum ersten Mal zur Kommunion gehen dürfen. Da erklärt er ihnen, was geschehen ist. Was bedeutet das, dieses Geheimnis, das sie heute zum ersten Mal empfangen: „Du wirst mir sagen: ‚Ich sehe etwas anderes, als den Leib Christi (ich sehe Brot). Wie kannst du behaupten, dass ich den Leib Christi empfange?’“ (De Mysteriis IX,52). So fragt der Neugetaufte. Genau das ist die Spannung, in der der Glaube bis heute steht: Ich sehe Brot, ich glaube Leib Christi.

Nun sagt der hl. Ambrosius: Schau in der Bibel! Wie viele Beispiele gibt es, dass die Macht des Wortes Gottes etwas verändert, etwas verwandelt, wenn der Schöpfer mit seiner Macht zum Beispiel den Stab des Mose in eine Schlange verwandelt oder wenn auf die Bitte des Elija hin Feuer vom Himmel herabfällt auf das Opfer. Dann bezieht er sich auf die Wunder Jesu, wo Jesus einfach ein Wort sagt, und es geschieht Heilung. Dann sagt er: Wenn das Wort Gottes so eine Macht hat, muss es da für das machtvolle Wort Gottes nicht leichter sein, etwas schon Bestehendes zu wandeln, als es aus dem Nichts zu schaffen? Wenn Gott alles aus dem Nichts geschaffen hat, dann kann doch seine Macht auch Brot in den Leib Christi wandeln (vgl. De Mysteriis IX,52; De Sacram. IV,20). Er gebraucht dafür auch ein Wort, das uns sehr vertraut ist. Das ist eine conversio, eine Wandlung. Dasselbe Wort heißt aber auch Bekehrung.

Da ist etwas Grundlegendes geschehen mit Brot und Wein, sie sind „konvertiert“, sie sind gewandelt. So wie der Getaufte bei Paulus ein neues Geschöpf genannt wird, eine neue Kreatur, so werden auch durch das Wort Gottes das Brot und der Wein gewandelt. So erleben wir es ja tatsächlich bei der Messe, wenn Brot und Wein durch das Wort Jesu gewandelt werden.

Das sind zwei mögliche Zugänge, um dieses Geheimnis der Wandlung einmal anzunähern. Haben wir es deswegen schon verstanden? Auf der einen Seite haben wir gesehen: So wie der Heilige Geist auf Maria herabkommt und sie den Sohn Gottes in ihrem Schoß empfängt, so wird das Brot durch die Kraft des Heiligen Geistes gewandelt in den Leib Christi. Wir haben die andere Linie gesehen: So wie Gottes mächtiges Wort alles geschaffen hat, so kann Gottes mächtiges Wort auch alles verwandeln.

V.

Jetzt stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie wirklich ist denn diese Wandlung? Findet die in meinem Kopf statt, in meiner Vorstellung, im Glauben? Oder geschieht sie in der Wirklichkeit. Aber wenn sie in der Wirklichkeit geschieht, warum sieht man dann nichts davon? Wo findet diese Wandlung statt? Welcher Art ist sie? Was verändert sich? Da kommen wir in ganz tiefe und große Fragen. Wenn man die Geschichte des abendländischen Denkens durchgeht, muss man feststellen: Über diese Frage sind die tiefsten Gedanken über Wirklichkeit, das Wesen, die Beschaffenheit der Materie, die Beschaffenheit der Veränderungen in der Materie in der Wirklichkeit entstanden.

Über die Frage der Wandlung hat das Abendland Jahrhunderte lang intensiv nachgedacht. Das können wir in dieser Katechese nicht nachholen. Aber ich möchte Sie heute ein wenig aus Anlass des Tages des hl. Thomas in seine Werkstatt führen. Ich muss gleich warnen: Diese Werkstatt ist ein bisschen trocken. Dort sieht man nicht sehr spannende Dinge, oder man sieht sie nur, wenn man sich darauf einlässt. Es ist dort sehr handwerklich, sehr technisch. Gleichzeitig merkt man bei diesem großen, gewaltigen Denker, dass das Herz brennend war, auch wenn die Sprache sehr nüchtern ist.

Gehen wir davon aus: Brot bleibt Brot, dem Aussehen nach. Wir aber glauben, der Leib Christi ist auf dem Altar. Da haben mittelalterliche Menschen die Frage gestellt: Wenn das der Leib Christi ist, der auf dem Altar liegt, und wenn viele Messen gefeiert wurden, früher auf allen Seitenaltären auch noch, dann wächst ja der Leib Christi ständig. Mit jeder Messe wird der Leib Christi immer größer. Das kann doch nicht stimmen. Oder man hat die Frage gestellt, wie ist das, wenn Christus herunterkommt auf den Altar und hier gegenwärtig wird. Verlässt er dann den Himmel? Ist er dann hier? Aber kann er dann auch gleichzeitig anderswo sein? Wir lächeln vielleicht über diese Fragen, aber sie haben Jahrhunderte lang die Gemüter bewegt. Selbst Luther und Calvin haben sich fast die Schädel eingeschlagen über diese Frage. Wenn Christus jetzt im Himmel ist, kann er dann überhaupt auf unsere Altäre herabkommen? Würde dann der Leib Christi nicht geteilt werden?

Wenn das Brot gewandelt ist in den Leib Christi und man es bricht, wird dann der Leib Christi gebrochen? Ist es nicht viel sinnvoller zu sagen, wie es dann zum Beispiel eben die protestantische Reformation großteils gesagt hat, vor allem Johannes Calvin (†1564), dass das Brot Brot bleibt, aber ein Zeichen ist, das uns an Christus erinnert, das unseren Glauben zu Christus emporhebt? Dieses Brot erinnert uns an ihn. Es verweist uns auf ihn. Wenn ich glaube, dann bin ich mit ihm in Verbindung. Ist das nicht viel würdiger, als diese Idee, dass das Brot wirklich Leib Christi wird? Die Kirche hat diese Lehre, etwa von Calvin, abgelehnt.

Schauen wir ganz kurz hinein, wie der hl. Thomas das macht. Er geht zuerst einmal von einer ganz einfachen Feststellung aus, die uns schon die ganze Zeit begleitet hat. Man kann, sagt er, nicht mit den Sinnen erfassen, dass Christus in diesem Sakrament ist, sondern sola fide – ein berühmtes Wort, das Martin Luther auch oft gesagt hat: alleine mit dem Glauben. Nur mit dem Glauben kann ich es erfassen. Aber ist es sinnvoll, das zu glauben? Der hl. Thomas sagt: Etwas zu glauben, was völlig unsinnig ist, wäre unmenschlich. Ich kann nicht von der Kirche oder gar von Christus selber genötigt werden, etwas zu glauben, was unsinnig ist. So sucht er Gründe, mit denen man sagen kann: Doch, das ist sinnvoll, dass das Brot wirklich der Leib Christi und der Wein wirklich sein Blut wird.

Ich nenne nur einen Grund, den er anführt, weil er mir besonders sympathisch ist: Jesus wollte uns seine Freundschaft zeigen. Wie zeigt man seine Freundschaft? Nicht, indem man möglichst viel weg ist, sondern indem man möglichst viel bei den Freunden ist. Freunde wollen bei einander sein. Jesus ist von uns weggegangen, sichtbar, aber er will als Freund bei uns bleiben. Er will mit seinen Freunden sein. Deshalb hat er diesen Weg gefunden, um bei uns zu sein. Mir gefällt dieses Argument sehr, um zu ahnen, warum das sinnvoll ist, dass Jesus so bei uns sein will (Thomas v. Aquin, Summa Theologica III,75,1).

Jetzt wird es etwas mühsam und trocken. Der wahre Leib Christi ist in diesem Sakrament, aber man sieht ihn nicht. Wie ist der wahre Leib Christi sozusagen in das Brot gekommen? Der hl. Thomas sagt: Wie kommt etwas dorthin, wo es vorher nicht war? Ein ganz einfache Frage. Es gibt zwei Möglichkeiten. Er nimmt das Beispiel: Wie kommt das Feuer in ein Haus, wenn es zu brennen anfängt? Entweder bringt man es von außen herein, das ist beim Stephansdom passiert, Funken haben das Feuer in den Dachstuhl getragen, oder etwas im Haus selber fängt Feuer und verwandelt etwa das Holz in Feuer. Nun sagt der hl. Thomas: Jesus kommt nicht auf den Altar, indem er sozusagen eine Himmelsreise macht. Er verlässt nicht den Himmel, um zu uns zu kommen. Jesus kommt zu uns nicht – jetzt seien sie nicht schockiert darüber – in einer örtlichen Gegenwart. Er ist nicht so hier, wie wir jetzt hier sind, örtlich, mit unserem Leib. Wie kommt er? Er kommt durch eine Wandlung, dass das Brot sich wandelt in seinen Leib. Wie kann das geschehen? Wenn wir anschauen: Wie wandelt sich etwas, in dem weiten Feld unserer Beobachtungen? Ich nehme einen Batzen Lehm und forme daraus eine Vase oder eine Figur, eine Statue. Aber ich kann immer nur den Lehm verändern. Ich gestalte ihn. Oder die Erziehung: Der kleine Fritz wird von seinen Eltern erzogen, und da wandelt sich etwas an ihm. Etwas entwickelt sich. Aber wenn er kein Genie ist, kein Einstein und kein Mozart, dann wird aus ihm auch kein Mozart und kein Einstein werden. Er kann nur das werden, was in ihm möglich ist.

Alle Wandlungen, die wir kennen und beobachten können, sind immer nur Veränderungen. Auch unsere Wandlung, einmal war ich ein Kind, jetzt bin ich schon fast ein Opa, ein älterer Mensch – es ist immer noch derselbe, aber er hat sich sehr gewandelt. Etwas ist gleich geblieben, gleichzeitig hat sich etwas geändert. Was wir beobachten können, sagt der hl. Thomas in seiner Werkstattsprache, sind „Formwandlungen“. Die Formen wandeln sich. Jetzt kommt das entscheidende Wort: Es sind keine „Wesenswandlungen“. Das Wesen bleibt dasselbe. Das kleine Kind und der alte Mann sind dasselbe Menschenwesen. Sie haben sich viel gewandelt von der Kindheit bis zum Alter. Substanzwandlungen, Wesenswandlungen kennen wir eigentlich in unserer Umwelt, in unserer Erfahrungswelt nicht. Und da sagt der hl. Thomas: Das liegt daran, dass wir nur die Macht haben, etwas zu verändern, zu gestalten, aber wir können nicht ein Wesen neu schaffen. Wir können immer nur gestalten. Gott allein hat die Macht, das Wesen zu wandeln. Gott hat sozusagen Zugriff auf das Innerste der Wirklichkeit. Er kann aus nichts die Welt schaffen, er kann zu seinem Leib Brot wandeln. Gott allein kann das Wesen wandeln. Wir können immer nur das Äußere, die Gestalt, die Form wandeln. Deshalb hat die Kirche ein Wort geprägt, der hl. Thomas gebraucht es ganz selten, das aber doch zur Glaubenssprache gehört: Die Wandlung ist eine Transsubstantiation.

Ich habe schon gesagt: Das muss man nicht wissen, um in den Himmel zu kommen. Es ist ein Versuch, mit dem Denken diesem wunderbaren Geheimnis nahe zu kommen, dass Jesus wirklich gegenwärtig wird, dass das Brot eben nicht mehr Brot ist, sondern Leib Christi und der Wein Blut Christi. Das nennt der hl. Thomas die Transsubstantiation. Aber er fügt gleich hinzu: Das ist ein Geheimnis des Glaubens. Fast hat man den Eindruck, mit einem Seufzer der Erleichterung sagt er: Diese Wandlung ist tatsächlich aus verschiedenen Gründen schwieriger zu verstehen, als selbst die Schöpfung. Das Geheimnis der Schöpfung, das Geheimnis der Wandlung (III,75,4).

Ich komme zur Schlussfolgerung. Der hl. Thomas, der so tief nachgedacht hat – das war ein ganz kurzer Besuch in seiner Werkstatt, wir könnten stundenlang durch die einzelnen Ateliers bei ihm gehen und schauen, wie er alle einzelnen Elemente dieser Frage durchdenkt – schreibt am Schluss das ganz schlichte: Adoro te devote, latens Deitas – Ich bete dich an, verborgene Gottheit (Gottheit tief verborgen, GL 546). Drei kurze Stichworte zum Schluss. Warum ist dieses Geheimnis der Wandlung so wichtig, das Geheimnis unseres Glaubens?

1. Die eucharistische Wandlung stärkt unseren Glauben, den Glauben daran, dass Christi Wort so mächtig ist und dass sein Geist so mächtig ist, dass er aus Sündern Gerechte, aus Verlorenen Gerettete, aus Menschenkindern Gotteskinder machen kann. Das Geheimnis der Wandlung stärkt unseren Glauben. Jedes Mal, wenn ich wieder sage: Herr ich glaube: dein Leib, dein Blut, dann wächst auch mein Glaube in Gottes Wirken.

2. Die eucharistische Wandlung stärkt unsere Hoffnung, dass dieses kleine Stück Brot und diese Frucht des Weinstock und der menschlichen Arbeit gewandelt werden und sozusagen schon der Anfang einer neuen Welt sind. Einmal wird Gott alles verwandeln, alle Tränen abwischen. Es wird ein neuer Himmel und eine neue Erde sein. Eine neue Schöpfung. Gott schenkt uns gewissermaßen in dieser Wandlung schon den Anfang der neuen Schöpfung. Eine große Quelle der Hoffnung.

3. Die eucharistische Wandlung stärkt unsere Liebe. Christus will sich uns so intensiv, so innig schenken, dass er sich uns zur Speise gibt. Er bedient sich der Brotgestalt und der Weingestalt, um sich selber zu schenken. Damit macht er uns Hoffnung, dass wir selber gewandelt werden. Er stärkt unsere Liebe zu ihm, der uns wandeln kann.

 

 


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