Schon damals...
Als Stephanus, der erste Märtyrer, sich zu
Jesus dem Christus bekannte, stürmten seine Feinde auf ihn los,
schleppten ihn vor die Stadt hinaus und steinigten ihn. Sie
konnten es nicht ertragen, dass der Heilsweg Gottes mit seinem
Volk in Jesus von Nazaret an sein Ziel gekommen sein sollte (Apg
7, 55f). Nur wer in seinem Wort bleibt, ist wirklich sein
Jünger, der wird die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird
ihn frei machen (Joh 8, 31f.). Doch weh' dem, der Gottes Wort
beim Wort nimmt. In der liberalen Gesellschaft, in der
herrschaftsfreier Diskurs angesagt ist, wird ihm das Wort
verboten. EmpÖrung ist das unfehlbare Mittel, um den Glaubenden
an den Pranger der Mediengesellschaft zu stellen.
Schon seit den ersten Tagen der Kirche
wollten die Herren des Hohen Rates das Bekenntnis der Apostel
zu Jesus als dem einzigen Retter und Heilsmittler um keinen
Preis tolerieren. Mit Strafen und Verfolgung bedrohten sie
jeden, der das urkirchliche Bekenntnis wiederholte: "In keinem
anderen Namen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen
kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir
gerettet werden sollen" (Apg 4, 12). Das Ritual ist das gleiche
geblieben. Empört reagierten auch die Hohenpriester des
öffentlichen Meinungskartells auf die lehramtliche
Bestätigung des christlichen Glaubens an Jesus, den einzigen
Mittler zwischen Gott und den Menschen (1 Tim 2, 5),
und die Einheit und Einzigkeit der Kirche.
Die Erklärung der Glaubenskongregation
richtet sich gegen die so genannte "pluralistische
Religionstheologie", die nichts anderes ist als die Zerstörung
des Christentums von seinen Wurzeln her. Ihre Vertreter
behaupten, dass Frieden zwischen den Religionen nur möglich
sei, wenn sich alle als gleichberechtigter Ausdruck einer
allgemeinen Erfahrung des göttlichen Weltgrundes anerkennen. Um
dafür den Weg frei zu machen, müssten Christen nur aufgeben,
was zum Wesen ihres Glaubens gehört: das Bekenntnis zur
Selbstoffenbarung des dreifaltigen Gottes, den Glauben an die
Fleischwerdung des ewigen Wortes Gottes in Jesus von Nazaret,
und, daraus folgend, die Einzigkeit und Universalität der
Heilsmittlerschaft Christi. Nach dem Verständnis der
Religionspluralisten ist Jesus Begründer einer spezifisch
abendländischen Ausprägung der allgemeinmenschlichen religiösen
Veranlagung. Mit dieser Reduktion Jesu auf ein religiöses Genie
will man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die
Offenbarung Gottes in Christus steht dann nämlich weder der
"großen Ökumene", das heißt der Einheit aller : religiösen
Menschen in einer gemeinsamen Weltreligion, im Weg, noch der
"kleinen Ökumene", der Gemeinschaft aller Christen.
Sind Pluralisten
Katholiken moralisch überlegen?
Die Religions- und Kirchenpluralisten
agieren aus dem Gefühl einer moralischen Überlegenheit heraus.
Sie präsentieren sich als die Wahrer des hohen Wertes der
Toleranz gegenüber dem fanatischen Überlegenheitsanspruch der
katholischen Kirche, der zwangsläufig Gewissenszwang und
missionarischen Imperialismus hervorbringe. Auch geistig fühlen
sie sich denen, die sich zur Einzigkeit Christi bekennen, weit
überlegen. Wenn doch Gott ganz anders sei -und hier berufen sie
sich (zu Unrecht) auf die Tradition negativer Theologie und
christlicher Mystik -, als wir es uns vorstellen, dann könne
doch keine menschliche Aussage über Gott beanspruchen, die
allein richtige zu sein. Viel vernünftiger wäre es doch, alle
menschliche Aussagen über Gott " (auch dann, wenn sie einander
diametral entgegengesetzt sind!) als die begrenzten
Spiegelungen eines unendlichen Lichtes anzusehen, das die Herzen
der Menschen wärmt und verbindet. Da der Mensch prinzipiell
unfähig sei, den göttlichen Weltgrund zu erkennen (gleich ob er
sich ihn als eine, drei oder mehrere Personen oder als
namenlosen Urgrund jenseits aller personalen Züge vorstellt),
sei der Skeptizismus gegenüber allen Offenbarungsaussagen die
vernünftige und allein anständige Haltung.
In diesem Zusammenhang wird die so genannte
"Ringparabel", der Gotthold Ephraim Lessing in seinem "Nathan
der Weise" zu großer Popularität verholfen hat, wie ein
geheimes Evangelium ausgegeben. Der wahre Ring, den der Fürst
einem seiner drei Söhne zu geben sich nicht entscheiden konnte
und von dem er daher zwei dem Original vollkommen gleichende
Kopien anfertigen lässt, ist durch kein Kriterium
unterscheidbar. Der Anspruch jedes der drei Söhne auf das wahre
Erbe erweist sich als verkappte Selbstliebe und
ungerechtfertigter Überlegenheitsanspruch. Zum Schluss soll
herauskommen, dass alle drei Ringe nur Kopien sind, und der
wahre Ring vorher schon verloren gegangen ist.
Dieses "Hohelied" der
Toleranz ist in
Wahrheit das Manifest des Skeptizismus, der sich
erkenntnistheoretisch als Relativismus gegenüber der
Wahrheitsfrage äußert. Diese Theorie führt zwangsläufig dazu,
entweder die Religion auf ihre Funktion als moralischer Kitt
der Gesellschaft und zum Ort esoterischer Jenseitserlebnisse zu
beschränken, oder zur Religionskritik bis hin zum militanten
Atheismus. Eine plausible Erklärung des (angeblich bloß
scheinbaren) Gegensatzes von Judentum, Christentum und Islam
wie auch der anderen religiösen Grundüberzeugungen in der
Wahrheitsfrage bietet die Ringparabel nur dem, der die
erkenntnistheoretischen Implikationen des Relativismus nicht
durchschaut, den Lessing als selbstverständlich voraussetzt,
ohne ihn zu begründen. Wenn er am Ende im Gestus der
Bescheidenheit dem ewigen Vater im Himmel allein den Zugang zur
Wahrheit zugesteht, dann ist dies nur die Vortäuschung
kreatürlicher Demut, weil hier definitiv und absolut Gott die
Möglichkeit abgesprochen wird, sich dem Menschen verständlich
zu machen.
Der Relativismus, der sich als Voraussetzung
von Toleranz und friedlichem Zusammenleben der Menschen ins
Szene setzt, ist nichts weiter als Tarnung der Arroganz der
Kreatur, die ihre Begründung durch Gott und ihre definitive
Ausrichtung auf Gott als Wahrheit und Leben für alle Menschen
negiert. Ein solcher Relativismus sagt: um ein gerechtes
Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen und um die im
Verstand und Herzen jedes Menschen schwelende Sehnsucht nach
Wahrheit und Liebe zu erfüllen, brauchen wir keinen Gott, der
zu uns spricht und der gar in der Menschwerdung dieses Wortes
in Jesus Christus den Weg unseres Lebens mit uns geht. Dem
Hörer der Ringparabel wird unter der Tarnkappe der Toleranz
eine totalitäre Religionstheorie untergejubelt. Es wird ihm
suggeriert, er sei geheimer Zeuge eines tatsächlichen
Vorgangs im Himmel, so dass er aus der Perspektive Gottes die
Selbsttäuschung des Wahrheitsanspruchs der drei Weltreligionen
durchschauen kann, während Lessing doch zugleich betont, dass
wir von Gottes Wahrheit eigentlich nichts wissen können. Sollte
er der einzige Mensch gewesen sein, dem Gott in einer geheimen
Offenbarung doch den Zugang zu seinem Innersten gewährt hat?
Die zwischenmenschliche Toleranz wird damit durch eine bis zum
äußersten gesteigerte Intoleranz gegenüber Gott
erkauft und zugleich verspielt. Denn niemand hat sich
autoritärer gezeigt als der relativistische Liberalismus des
neunzehnten Jahrhunderts mit seinem antikirchlichen Furor. Keine
andere Bewegung war je menschenfeindlicher als der Atheismus des
zwanzigsten Jahrhunderts, wo im Namen der Befreiung des
Menschen von Gott und seinen angeblich menschenfeindlichen
Geboten, die sich die Kirchenleute nur ausgedacht hätten,
Millionen von Menschen wegen ihres Glaubens an die Offenbarung
Gottes verfolgt und ermordet wurden.
Der Relativismus fußt auf der Intoleranz
gegenüber Gott. Toleranz kommt vom lateinischen tolerare, das
heißt ertragen und sich vertragen. Der Liberalismus mag es
nicht ertragen, dass Gott sich dem Menschen offenbart und dass
das endgültige Heil des Menschen vom Glauben an das konkret an
ihn ergangene Wort und von der Nachfolge Jesu Christi abhängen
soll. Wer aber tolerant ist gegenüber Gottes Wort, das sich an
uns richtet und uns in unserer ganzen geistigen und moralischen
Existenz in Anspruch nimmt (das heißt wer letztlich
sein Kreuz trägt und es mit Jesus erträgt), der wird nicht
unversöhnlich und intolerant gegenüber den Mitmenschen.
Der
Christ ist nicht im Besitz der Wahrheit, über die er
verfügt. Er ist der Wahrheit Gottes als Zeuge verpflichtet bis
zum Einsatz seines Lebens. Er hat das ewige Heil nicht als
Garantieschein in der Tasche. Er ist gefährdeter in seinem
Heilsweg als der Nichtchrist, denn wem viel gegeben wurde, von
dem wird umso mehr zurückverlangt. Der christliche Missionar
zieht nicht in die Welt, um zu unterjochen und auszubeuten,
sondern um anderen Menschen durch die Liebe zu dienen. Er
sieht sich in die Sendung Christi vom Vater her zu den Menschen
hin einbezogen. Er kann als Zeuge der Wahrheit nur Botschafter
Christi sein, der gekommen ist, um den Menschen die Versöhnung
mit Gott und untereinander anzubieten.
Er rechnet auch damit, dass nicht alle
bereit sind, diese Botschaft von der Versöhnung anzunehmen,
dass er wie Stephanus Empörung, oder wie Paulus auf dem Areopag
Gelächter auf sich ziehen wird, wenn er davon spricht, dass Gott
sein ewiges Wort und seine Wahrheit in die ärgerliche
Konkretheit eines einzelnen Menschen in Palästina zur Zeit der
Kaiser Augustus und Tiberius inkarniert hat und dass man nur
durch diese kleine Pforte dieses einzelnen Menschen in die
unendlichen Weiten des Himmels religiöser Erfahrungen gelangt.
Wer Gottes ewige Wahrheit in der geschichtlichen Wahrheit Jesu
von Nazaret toleriert, der wird auch die Intoleranz der
Relativisten gegenüber Gott ertragen und dies in der Nachfolge
Christi als Zeugnis der Treue Gottes verstehen, die größer ist
als die Untreue und der Widerstand der Menschen.
Jesus -nicht Gott,
sondern nur ein religiöses Genie?
Gott hat diese geschichtliche Konkretheit in
seinem fleischgewordenen Wort angenommen, nicht um eine
Religion auf Kosten der anderen zu verabsolutieren, sondern
um alle Religionen, die nichts anderes sind als die
Manifestation der Gottgerichtetheit des Menschen, zu ihrem Ziel
zu bringen: der realen Begegnung des Menschen mit Gott, die
gemäß der leibhaftigen und sozialen Natur des Menschen sich
nicht jenseits von Raum und Zeit, sondern gerade in ihr
ereignen soll. Die Religions-pluralisten christlicher
Provenienz wollen nur eine allgemeine, mit der Schöpfung
gegebene Offenbarung Gottes anerkennen. Offenbarung sei also
nichts weiter als ein Innewerden der Allgegenwart und
Allwirksamkeit Gottes in jedem Menschen.
In diesem Sinn
verstehen sie die historisch existierenden Religionen als die
kultur- und geschichtsbedingten Ausformungen der Erfahrung der
Gegenwart des Göttlichen in den Herzen der Menschen. Das
schließe nicht aus, so wird behauptet, dass einzelne religiöse
Genies diese Gegenwart in besonders intensiver Weise erfassen
und gestalterisch ganze Kulturräume und Epochen prägen, so wie
die meisten Menschen zwar musikalisch sind, aber ihre
Musikalität nur mit Hilfe von genialen Komponisten auszudrücken
vermögen. Aber niemand käme auf die Idee, dass Mozart allein
und universal die Inkarnation der Musik ist. Die
Religionspluralisten interpretieren demnach Jesus als einen der
bedeutendsten Kompositeure der religiösen Erfahrung Gottes, der
aber andere Religionsstifter wie Mohammed, Buddha, Konfuzius und
so weiter ebensowenig ausschließt oder überragt, wie Mozart
einen Bach oder Beethoven aussticht. Es bleibt letztlich dem
einzelnen Menschen überlassen, wohin er seinen religiösen oder
musikalischen Geschmack ausrichtet, im monotonen Einerlei einer
Richtung oder im bunten Potpourri der "schönsten Melodien" (das
heißt im Patchwork der besten Einsichten und Erfahrungen aus
allen Religionen).
Im Unterschied zu diesem Ansatz geht der
christliche Glaube davon aus, dass das Wort "Gott" nicht eine
Chiffre oder die Projektionsfläche menschlicher Entwürfe ist,
sondern dass Gott personale und relationale Wirklichkeit ist.
Gott, der den Menschen als eine zum Denken, Wollen, Handeln und
Empfinden fähige Person geschaffen hat, spricht den Menschen an
und begegnet ihm aus der Freiheit seiner Liebe konkret in der
Geschichte, indem sein ewiges Wort in Jesus von Nazaret
tatsächlich unser Menschsein angenommen hat. Durch die
Inkarnation und die untrennbar damit verbundene Ausgießung des
Geistes des Vaters und des Sohnes kennen wir das Geheimnis der
Liebe Gottes in der Gerneinschaft der drei göttlichen Personen,
in die wir hineingestellt sind und dessen Liebe uns erfüllt.
Wir sind also nicht mehr wie Schiffbrüchige, denen nur kurz die
Illusion der Rettung aufsteigt, wenn sich von fern ein Schiff
zeigt, das ihre Rettung hätte sein können. Die Illusion hat dann
nur die Funktion, noch ein bisschen ums Überleben zu kämpfen,
dem Tod noch etwas Zeit abzutrotzen, ihm aber umso sicherer
doch zu erliegen. Nein, dass Gott in Jesus Christus tatsächlich
Mensch geworden ist, bedeutet, dass das rettende Schiff
herangekommen ist und ein Boot ausgesetzt hat, das uns
aufnimmt. Der Glaube an Christus zerstört nicht die
Gottessehnsucht und die Erfahrung der Unbedingtheit des
sittlichen Verhaltens, sondern bietet der Religiosität und
Sittlichkeit, die zur geistigen Natur des Menschen gehören,
eine sichere Orientierung und einen festen Halt, so wie sich
die Hoffnung auf Rettung bei der Aufnahme in das Rettungsboot
nicht zerschlägt, sondern erfüllt.
Nur wenn man anerkennt, dass das christliche
Bekenntnis zu Jesus, dem Mensch gewordenen ewigen Sohn Gottes,
nicht eine gedankliche religiöse Konfiguration ist, sondern die
Anerkenntnis eines Handeins Gottes in der Geschichte
zugunsten aller Menschen, kann man die universale Ausrichtung
des kirchlichen Zeugnisses verstehen. Weltmission ist nicht
Weltherrschaft, sondern Weltdienst.
Kann die
Kirche in Christus Mittlerin des
Heils sein?
Gott hat sich in Christus selbst der
Menschen angenommen, und darum nimmt er Menschen in den Dienst,
um die Einheit aller mit Gott und die Einheit der Menschheit zu
ermöglichen und so sein Reich in der Geschichte aufzubauen und
der Vollendung entgegen zu führen. In diesem Sinn ist die
Kirche in allen ihren Gliedern und besonders den Aposteln und
ihren Nachfolgern im Bischofsamt zusammen mit den Priestern und
Diakonen Vermittlerin des universalen Heils in Christus, der im
Heiligen Geist ihre Verkündigung und ihr heilsvermittelndes
Handeln begleitet und wirksam macht. Als "Diener seines
Heilsplans und Erbauer des Hauses Gottes" (vgl. 1 Kor 4, 1)
handeln die Apostel nicht als Mittler neben Christus. Vielmehr
ist die Kirche "in ~ Christus Zeichen und Werkzeug" seiner
einzigen, vollen und universalen Vermittlung der Einheit der
Menschen mit Gott und untereinander (Lumen gentium 1).
Wenn in den nichtchristlichen Religionen
Elemente der Wahrheit und des Heils anerkannt werden, so
handelt es sich nicht um Teile der geschichtlichen Offenbarung
Gottes in Christus. Dies würde Christus zu einem Teiloffenbarer
machen. Vielmehr erweisen sich die nichtchristlichen Religionen
als Ausdruck der von Gottes zuvorkommender Gnade angestoßenen
menschlichen Dynamik und Selbsttranszendenz, die auf den
konkreten Menschen Jesus von Nazaret und seine geschichtlich
greifbare Gegenwart in seiner Kirche hindrängt. Die Religionen
in ihren positiven Funktionen für die Wahrheits- und Heilssuche
ihrer Anhänger bilden gleichsam die natürliche Voraussetzung
des übernatürlichen Glaubensaktes an Gott in Christus.
Selbstverständlich gibt es in allen Religionen
nichthypothetische Überzeugungen. Christentum und Religionen
treffen sich nicht auf der Ebene des Indifferentismus, das heißt
der scheinbar SO toleranten Haltung, dass alles gleich gültig,
im letzten aber eben gleichgültig ist.
Was Christentum und den Religionen gemeinsam
ist, ist die strikte Ablehnung des Indifferentismus als
gleichgültig gegenüber der Wahrheit Gottes. Der christliche
Glaube versteht sich freilich nicht als Produkt menschlicher
Einsicht, sondern als ein vom Heiligen Geist ermöglichter
geistiger Vollzug des Menschen, durch die ihm zuallererst die
Identität des Menschen Jesus mit dem absoluten Heilsbringer von
Gott her aufgeht: "Niemand kann sagen: Jesus ist der Herr,
Gott, außer durch die Präsenz des Heiligen Geistes" (1 Kor
12,3).
In einem bestimmten Sinn kann auch eine
Vermittlerfunktion von Religionsstiftern oder religiösen
Schriften und Persönlichkeiten in anderen Religionen anerkannt
werden. Sie sind freilich nicht wie Jesus Christus (und die
Kirche in ihm) Mittler von Gott her auf die Menschen hin,
sondern sie können zu Mittlern auf Gott hin werden, wenn sie
auf ihn hin verweisen und ihn nicht verdecken. Denn kein
Mensch, sei er religiös noch so genial, kann von sich aus
beanspruchen, seine Mitmenschen zu Gott und zur Wahrheit zu
vermitteln. Er kann nur die Menschen in die Erwartungshaltung
gegenüber dem freien Handeln Gottes einüben. Christen glauben
an Jesus als den universalen Mittler nicht deshalb, weil sie in
ihm besonders deutlich ihre religiösen Gedanken und Wünsche auf
den unbekannten Gott jenseits aller menschlichen Denkbarkeiten
hin ausgedrückt sehen, sondern weil Gott ihn in der
Auferstehung von den Toten als den endzeitlichen Mittler der
Gottesherrschaft, die er verkündigt und verwirklicht hat,
bestätigte. Er ist nicht ein Mittler, der sich zur Einheit mit
Gott aufgeschwungen hat, sondern das Wort, das bei Gott war und
das Gott ist, das unser Fleisch angenommen hat, damit wir alle
von seiner Fülle empfangen (Joh 1, 14.18). Die Universalität
und Einzigkeit der Heilsmittlerschaft des Menschen Jesus von
Nazaret hat ihren Grund in der göttlichen Natur des ewigen
Wortes oder Sohnes Gottes, der die menschliche Natur Jesu
angenommen und sie zum Medium der Selbstmitteilung Got- tes als
Wahrheit und Leben eines jeden Menschen gemacht hat.
Vom universalen Heilswillen Gottes wissen
wir aus dieser geschichtlichen Selbstoffenbarung Gottes. Der
universale Heilswille Gottes ist ebenso Gegenstand des Glaubens
wie die universale Heilsmittlerschaft Christi. Man kann darum
nicht, wie es die Religionspluralisten tun, den universalen
Heilswillen aus einem allgemein religiösen Gottesbegriff
ableiten und ihn dann als Idee verabsolutieren, andererseits
aber die Heilsmittlerschaft Christi als bloß zufälliges
geschichtliches Ereignis relativieren. Sie stellen sich das
Verhältnis von Gott und Welt vor wie das quantitativ Ganze, das
niemals ein quantitativ gedachter Teil an ihm selbst werden
könne. Sie stellen sich die menschliche Natur Jesu wie ein
begrenztes Gefäß vor, das den Ozean des Göttlichen nie
ausschöpfen könne. Vom Wasser dieses Ozeans sei Jesus ganz
erfüllt, was aber nicht ausschließt, dass der Ozean mit
seinem Wasser auch andere religiöse Genies erfüllen könne.
In Wirklichkeit besteht die
Größe Gottes gerade darin, dass er das tun kann, was Menschen ihm nicht
zumuten wollen. In der Inkarnation wird Gott nicht ein Teil der
Welt, sondern er verbindet sich so mit dem menschlichen
Mittler, dass Inhalt und Medium ungetrennt und unvermischt eine
Einheit bilden. Gott als Mensch, der Allmächtige in der
Ohnmacht des Kreuzes, das war zu allen Zeiten für die
Skeptiker, die zur größeren Ehre Gottes die menschliche
Erkenntnis beschränken wollten, und für alle vernunftsstolzen
Aufklärer Anlass zu Empörung und Spott, "für die Berufenen
aber, Juden wie Griechen", ist Christus "Gottes Kraft und
Gottes Weisheit" (1 Kor 1, 24). Schon im zweiten Jahrhundert
hat der heidnische Philosoph Kelsos einen ,... Grundsatz
formuliert, der sich im Repertoire aller Kritiker der
geschichtlichen Selbstoffenbarung Gottes findet, dass die
Erhabenheit eines von allen menschlichen Vorstellungen
gereinigten Gottesbegriffes eine Inkarnation niemals zulasse.
Wie könnte sich Gott in den Schmutz und das Elend unseres
verweslichen Fleisches hineinbegeben? Muss ein wirklich
religiöser Mensch sich nicht aus dem Unrat dieser vergänglichen
Welt erheben und bei den ewigen Ideen jenseits des
Weltgetriebes eins mit Seinesgleichen seinen Frieden finden?
Kelsos mit seinen Jüngern hat Recht, dass
sich die Inkarnation und die universale Heilsmittlerschaft
eines konkreten Menschen nicht aus dem Gottesbegriff der
Philosophie ableiten lassen. Wenn man aber mit dem auch
philosophisch erreichbaren Verständnis ernst macht, dass Gott
nicht am menschlichen Denken und Handeln seine Grenze finden
kann, dann kann man im Glauben das Ereignis annehmen und
bekennen, dass Gott sich in seiner geschichtlichen
Selbstoffenbarung so mit dem Menschen Jesus von Nazaret
verbunden hat, dass Jesus als Mensch durch die göttliche Person
des Wortes existiert, handelt und mit uns ist.
Warum nur eine einzige sichtbare Kirche?
Da Gott der eine Schöpfer der einen Menschheit ist, existieren
die verschiedenen Völker und Kulturen nicht als absolute
Entitäten in völliger Abgegrenztheit nebeneinander her, so dass
er sich zum Vollzug der geschichtlichen Offenbarung mehrmals
inkarnieren müsste und mehrere Heilsmittler zu konstituieren
hätte. Mehrere Heilsmittler bedeuteten die Zerstörung der
Einheit der Menschheit. Mehrere Heilsmittler könnten die
Menschheit nicht auf Gott hin vereinen, weil sie den einen Gott
in mehrere Gottesbilder aufsplittern und letztlich zum
klassischen Polytheismus verführen würden. Es ist nur ein Gott
und Vater aller Menschen, ein Herr und Geist, und darum gibt es
nur einen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Und es gibt
nur die eine Menschheit, die er zur vollen Einheit in der Liebe
hinführt durch seine universale Heilsvermittlung, die von
seiner Kirche geschichtlich ausgeführt wird.
Die Kirche repräsentiert als der eine und
ungeteilte Leib Christi die Einheit des dreifaltigen Gottes,
und darum ist sie die Zusammenfassung und sichtbare Darstellung
der universalen Berufung aller Menschen und der Hoffnung aller
auf Gott, der über allem und durch alles und in allen ist (vgl.
Eph 4, 4). Die Kirche kann nur als eine und einzige existieren,
weil sie Zeichen und Werkzeug des universalen, Gemeinschaft
stiftenden Mittlerturns Christi ist. Diese Einheit der Kirche
ist nicht vom Einheitswillen der Menschen gestiftet. Sie hat
eine gottgegebene Grundlage, das Sakrament der Taufe. Weil es
nur eine Taufe gibt, kann es auch nur eine Kirche geben. Weil
Christus das eine Haupt der Kirche ist, kann auch die Kirche
nur sein einziger Leib sein. "Ist denn Christus zerteilt?" (1
Kor 1, 13), fragt Paulus die streitsüchtigen und zu
Spaltungen neigenden Korinther. Wurde etwa Paulus, Petrus oder
Apollos für uns ans Kreuz geschlagen oder sind wir auf den
Namen irgendeines Menschen getauft worden?
Darum ergibt sich aus dem Bekenntnis zur
Einzigkeit Christi und zu seiner Heilsuniversalität das
Bekenntnis zur Einzigkeit und universalen Heilssendung der
Kirche. Menschen können die Einheit der Kirche ebensowenig
stiften wie zerstören. Wenn die Kirche also eine Wirklichkeit
ist, die aus dem Heilsmysterium der universalen
Heilsmittlerschaft Christi hervorgeht und ihr dient, dann kann
sie sich durch Spaltungen in der Christenheit nicht selbst in
Teile auflösen, so dass dann die Zusammensetzung der Scherben
des zerbrochenen Kruges wieder den ganzen Krug ergäbe.
Kirche oder kirchliche
Gemeinschaft?
Der eigentliche Unterschied zwischen
katholischem und protestantischem Kirchenverständnis wird
in der Frage deutlich, was notwendig zur Einheit der Kirche
gehört und wie sie sich darstellt. Nach evangelischer Meinung
ist die Kirche als unsichtbare Gemeinschaft aller Glaubenden in
der Liebe trotz aller sichtbaren Spaltungen bestehen geblieben.
Wahre Kirche Christi gibt es in allen sichtbaren kirchlichen
Gemeinschaften (sogar unter dem Papsttum, wie man zur
Reformationszeit zu sagen pflegte), wo und wenn nur das Wort
Gottes recht verkündet wird und Menschen zum Glauben kommen,
der allein rechtfertigt. Es gibt nur Kriterien, woran man
erkennen kann, ob die eigentlich unsichtbare Kirche manifest
wird.
Irn Gegensatz zu der öffentlichen Aufregung
um die Frage, ob die Erklärung "Christus Jesus" den
Protestanten das eigentliche Kirchesein abspricht, ergibt sich
bei genauer Analyse des
unterschiedlichen Kirchenverständnisses
folgender Befund: Nach evangelischem Verständnis kann keine
historisch existierende Konfession sich schlichtweg als Kirche
bezeichnen. Es gibt nur kirchliche Gemeinschaften, die alle
eine Teilhabe an der einzigen, allerdings unsichtbaren Kirche
sind. Die katholische Kirche ist nach originär evangelischem
Verständnis nicht die Kirche im eigentlichen Sinn, sondern nur
eine kirchliche Gemeinschaft unter anderen. Nach katholischem
Verständnis jedoch sind die evangelischen Konfessionen trotz
der sichtbaren Getrenntheit von ihr kirchliche Gemeinschaften
und auf die Gemeinschaft mit der sichtbar einen Kirche
hingeordnet, an der sie schon aufgrund der Taufe real Anteil
haben.
Kirchengemeinschaft ist darum möglich auch
bei entgegenstehenden lehrmäßigen Ausformulierung des
Glaubensbekenntnisses und bei anderer Grundverfassung der
Kirche in ihrer sichtbaren Gestalt.
Der katholische Glaube geht aber von der
untrennbaren Einheit der Kirche aus als unsichtbarer
Gemeinschaft aller Glaubenden wie als sichtbarer Gemeinschaft
in der Lehre der Apostel, in der Liturgie und der apostolisch
legitimierten Autorität der Bischöfe. Kirche wird also nicht
nur da und dort am Glauben an das verkündigte Wort und an der
Versammlung dieser wahrhaft Gläubigen erkannt. Kirche ist eine
kontinuierlich existierende und mit sich identisch bleibende
sichtbare Körperschaft, die historisch auf Christus und die
Apostel zurückgeht und die durch das Wirken des erhöhten Herrn
im Heiligen Geist immer von Gott selbst auf der Spur ihrer
Sendung gehalten wird. Menschen können den Zug der Kirche nicht
zum Entgleisen bringen. Die Einsicht, dass die Kirche nicht nur
ein Ort der Versammlung von Glaubenden ist, die das Wort Gott
als Gericht und Gnade hören, sondern dass die Kirche selbst
Sakrament ist, durch das Christus seine universale
Heilsmittlerschaft gegenüber der ganzen Menschheit ausübt, die
Kirche in Christus also in der Tat Heilsmittlerin ist, ergibt
sich aus der Inkarnation. Wenn die Heilige Schrift die Kirche
Leib oder Braut Christi, Tempel des Heiligen Geistes und Haus
und Volk Gottes nennt, kann es die sichtbar getrennten
Christengemeinschaften nicht alle im gleichen Sinne als Kirchen
bezeichnen, weil es sonst viele Leiber, Bräute, Tempel, Häuser
und Völker Gottes geben müsste. Die eine Kirche Christi ist
auch in ihrer sichtbaren Gestalt als die eine und einzige
Kirche sichtbar geblieben.
Die Kirche als eine und katholische, das
heißt als Repräsentantin des alle vereinenden und universalen
(griechisch: katholischen) Heilswillens Gottes in Jesus
Christus, ist nach einem Wort des Märtyrerbischofs Ignatius von
Antiochien (gest. um 110 n.Chr.) da, wo der Bischof ist. Und
nur wo die Eucharistie in Einheit mit dem Bischof gefeiert
wird, dort ist die Eucharistie gültig, das heißt dort wird die
Einheit und Gemeinschaft mit Christus konkret und sichtbar
(Brief an die Smyrnäer, 8,1f.). Zusammen mit dem Prinzip der
unbedingten Bindung an die Heilige Schrift als zentraler Norm
des Glaubens und an die Apostolische Überlieferung des Glaubens
und Betens der Kirche hat vor allem Irenäus von Lyon gegenüber
der Berufung auf private Gotteserfahrungen das Prinzip der
Apostolizität der Kirche formuliert, das in der apostolischen
Nachfolge der Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri
in Rom als Kriterium der vollen Kirchlichkeit der Kirche dient.
Wenn darum in der gesamten Lehrverkündigung
der Kirche seit jeher und jetzt auch in der Erklärung "Dominus
Jesus" nur den kirchlichen Gemeinschaften das volle Prädikat
Kirche zugestanden wird, die unter anderem gerade auch die
apostolische Sukzession des Episkopates bewahrt haben, geht es
nicht um eine Bewertung des persönlichen Glaubens der
evangelischen Christen. Es geht aber um die Bezeichnung der
Tatsache, dass zwischen evangelischem und katholischem
Christentum das Verständnis von Kirche die eigentliche
Differenz bildet und darum aus dem ökumenischen Dialog nicht
ausgeklammert oder verschämt verschwiegen werden darf, sondern
gerade umgekehrt zum Gegenstand einer profunden Diskussion
werden muss. Es kann aber der katholischen Kirche nicht das
Recht bestritten werden, ihr eigenes Verständnis von Kirche und
damit auch ihr Verhältnis zu den Kirchen und Gemeinschaften
außerhalb ihrer selbst zu formulieren. Das bedeutet keineswegs
eine Aufgabe des ökumenischen Ziels einer versöhnten
Verschiedenheit.
Wenn darum in der gesamten Lehrverkündigung
der Kirche seit jeher und jetzt auch in der Erklärung "Dominus
Jesus" nur den kirchlichen Gemeinschaften das volle Prädikat
Kirche zugestanden wird, die unter anderem gerade auch die
apostolische Sukzession des Episkopates bewahrt haben, geht es
nicht um eine Bewertung des persönlichen Glaubens der
evangelischen Christen. Es geht aber um die Bezeichnung der
Tatsache, dass zwischen evangelischem und katholischem
Christentum das Verständnis von Kirche die eigentliche
Differenz bildet und darum aus dem ökumenischen Dialog nicht
ausgeklammert oder verschämt verschwiegen werden darf, sondern
gerade umgekehrt zum Gegenstand einer profunden Diskussion
werden muss. Es kann aber der katholischen Kirche nicht das
Recht bestritten werden, ihr eigenes Verständnis von Kirche und
damit auch ihr Verhältnis zu den Kirchen und Gemeinschaften
außerhalb ihrer selbst zu formmulieren.
Das bedeutet keineswegs eine Aufgabe des
ökumenischen Ziels einer versöhnten Verschiedenheit. Es muss
gerade die Frage gestellt werden, ob eine Versöhnung in der
Wurzel (reconciliatio in radice) möglich ist, sonst bliebe es
nur bei einer Addition von Verschiedenem und Entgegengesetztem.
Dies wäre alles andere als ein Zeugnis der Einheit der Christen
im Glauben und in der Gottesverehrung. Man kann die
abgeschnittenen Blumen zu einem schönen bunten Strauß flechten,
aber nach einer gewissen Zeit verwelkt der Blumenstrauß oder er
wird zu Stroh. Die Aufgabe besteht darin, in der einen Wurzel
wieder zusammenzukommen. Die evangelischen Kirchen konnten
nicht erwarten, dass die katholische Kirche mit dem Modell der
versöhnten Verschiedenheit die Grundvoraussetzungen einer
protestantischen Ekklesiologie übernimmt und sich wie eine Art
Teilkirche in die von der reformatorischen Theologie formulierte
Verhältnisbestimmung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche
einordnet und sich somit in eine Art evangelischer Kirche mit
hochkirchlichen Traditionen verwandelt.
Dinge als gleich
erklären, die nicht gleich sind?
Kritisiert werden muss auch die Redewendung
von der Anerkennung oder Nichtanerkennung von evangelischen
Gemeinschaften als Kirche und ihrer Amter durch die katholische
Kirche. Die evangelischen Gemeinschaften mit ihren Amtern
können ihre Legitimität doch nicht von einer Anerkennung durch
das katholische Lehramt der Bischöfe und des Papstes erwarten,
das sie nur als kirchliche Instanz menschlichen Rechtes
anerkennen. Vielmehr müssen sie sich von ihren eigenen
Voraussetzungen her in ihrer Kirchlichkeit und der Legitimitat
ihrer Amter ausweisen. Es ist einfach widersprüchlich, die
Anerkennung der Gleichheit des Pastorenamtes mit dem
katholischen Priesteramt zu verlangen und zugleich die
Grundidee der sakramental legitimierten Repräsentanz Christi
als Priester und Mittler im katholischen Priester als
unvereinbar mit dem Neuen Testament zurückzuweisen.
Das Prinzip des
ökumenischen Dialogs von gleich zu gleich kann nicht bedeuten,
dass man Dinge, die nicht gleich sind, tür gleich erklärt,
sondern indem man in wechselseitiger Voraussetzung des
Wahrheitsgewissens beider Seiten versucht, den anderen zu
verstehen und aus gemeinsamen Überzeugungen heraus zu
ermitteln, ob nicht doch ein gemeinsames Grundverständnis
tormuliert werden kann, das die tieteren Intentionen beider
Richtungen in einer Konvergenz zum Tragen bringt. Am Ende darf
nicht ein Partner des ökumenischen Gesprächs als Besiegter den
Raum verlassen, sondern beide müssen bereichert durch die
Kritik und Ergänzung sich im Verständnis des Wortes Gottes
zusammenfinden und diese Einheit sichtbar nach innen und außen
bezeugen.
Quelle: "Die Tagespost", 9. September 2000,
S. 3