Krise der Kirche ist eine Krise des Glaubens bei Laien und Priestern
KLARTEXT von Bischof Andreas Laun: Es fehlt uns heute am Gehorsam in der Kirche,
bei den Priestern, manchmal auch bei Bischöfen, aber natürlich auch bei den
Laien.
„Wenn die Priester gehorsam wären, hätten wir keine Krise“, sagte mir neulich
ein prominenter Laien-Mitarbeiter in der Erzdiözese Salzburg. Es wäre leicht zu
antworten, wir hätten dennoch eine Krise, weil der Geist des Widerspruchs, ja
der Feindseligkeit gegen die Kirche die ganze Gesellschaft durchdrungen hat und
immer noch weiter im Vormarsch ist. Freilich, eine Krise hätten wir „so oder
so“, aber „die Krise“, wie sie sich heute präsentiert und durch bestimmte
Umfragen „bestätigt“ wird, diese Krise hätten wir tatsächlich nicht, da hat der
Mann recht, davon bin auch ich überzeugt. „Gehorsam“, welcher Gehorsam ist
gemeint? Eigentlich der, den jeder Priester am Tag der Weihe verspricht. Was
verspricht er denn? Zweifachen Gehorsam, und es ist wichtig, die beiden „Gehorsams-Arten“
zu unterscheiden: Bei dem einen Gehorsam, dem „praktischen Gehorsam“, wie ihn
leicht verständlich D. v. Hildebrand genannt hat, geht es um tun oder
unterlassen, bei dem anderen, dem „Theoretischen Gehorsam“ geht es um Glauben,
um Festhalten an dem, was man nicht sieht (Hebr).
Beiden gemeinsam ist die Unterwerfung unter eine Autorität, und diese
Unterwerfung ist nie schlechthin „blind“. Das heißt: Jedem Gehorsam geht ein
Sehen voraus, nämlich die Einsicht in die Legitimität, in den berechtigten
Anspruch einer bestimmten Autorität und die Einsicht in die Reichweite ihrer
Zuständigkeit: Der Polizist hat „Autorität“ im Straßenverkehr, der Direktor
innerhalb seiner Firma, der Bischof in der Diözese usw. Autorität haben ihre
jeweiligen Vertreter immer nur gemäß den Statuten, gemäß den Satzungen, gemäß
der Ordensregel, gemäß dem Kirchenrecht oder, in der Familie, gemäß dem
Naturrecht der Eltern. Autorität ist dabei immer auf das Wohl derer hingeordnet,
die ihr zugeordnet, die ihr unterworfen sind. Der letzte Punkt unterscheidet
echte Autorität von derjenigen über Sklaven. Nun aber, wenn die genannte
vernünftige Einsicht oder Glaubenseinsicht vorliegt, sagt das Gewissen: „Gehorche
dieser Autorität“, sie hat Anspruch auf Gehorsam. Widersinnig wäre der Einwand:
Ich gehorche nur, wenn ich das Befohlene oder Gelehrte „selbst einsehe“!
Denn wenn ich selbst einsehe, dann tue ich das Eingesehene ohnehin auf Grund
meiner Einsicht und brauche keine Autorität! Nur in diesem Sinn gibt es auch im
mündigen Gehorsam einen „blinden Fleck“ und darum hat man in der Vergangenheit
auch in der Kirche von „blindem Gehorsam“ gesprochen, den es anzunehmen gilt: „Auch
wenn ich nicht ganz oder überhaupt nicht einsehe, was mir aufgetragen wird:
Solange es nicht gegen mein Gewissen ist, gehorche ich!“ (Nur wegen des
Missbrauchs und der Missverständlichkeit wird man heute auf den Begriff eher
verzichten)! Ähnlich ist es im ‚Fall einer Lehr-Autorität: „Auch wenn ich die
Lehre nicht einsehe, derjenige aber, der mich belehrt, kompetent ist, glaube ich
ihm!“ Das gilt natürlich erst recht und in einzigartiger Weise vom Lehramt der
Kirche: Wenn der hl. Geist hinter ihm steht und in dem Maße, als ER dies nach
katholischem Glauben tut, „glaube ich alles, was die Kirche lehrt“ und kann mich
dabei auch nicht auf „mein Gewissen“ berufen, weil es ein „Gewissen gegen Gott“
einfach nicht geben kann. Nach dieser Skizze katholischer Gehorsamslehre kehre
ich zurück zum ersten Satz: „Wenn die Priester gehorsam wären, hätten wir keine
Krise!“ Richtig, denn eine Reihe von „Reizthemen“ wären dann nicht mehr
aufreizend, es gäbe kein Aufbegehren gegen die Kirche und ihre Struktur, sondern
nur noch friedliche Gespräche und friedliches Bemühen um ein christliches Leben!
Konkret: Dann wäre klar, dass es kein „Frauen-Priestertum“ geben kann, weil die
zuständige Autorität der Kirche die Frage klar beantwortet und entschieden hat!
(„theoretischer Gehorsam) Es wäre klar, dass ein Laie in der hl. Messe nicht
predigen darf (praktischer Gehorsam, der z.B. für Mutter Teresa
selbstverständlich war: Ich predigte, sie sprach – aber nach der Messe! Viele
andere Beispiele lassen sich nennen! Tatsächlich, es fehlt uns heute am Gehorsam
in der Kirche, bei den Priestern, manchmal auch bei Bischöfen, aber natürlich
auch bei den Laien. Bei seiner Weihe verspricht der Priester den Gehorsam ganz
ausdrücklich und gemeint ist dabei vor allem der praktische Gehorsam!
Den theoretischen Gehorsam verspricht der Priester aber auch im
Glaubensbekenntnis. Wirksam und spürbar wird er vor allem dort, wo die Lehre der
Kirche dem Zeitgeist widerspricht und auch das Verstehen des Priesters noch
übersteigt Bemerkungen wie „ich gehe meinen eigenen Weg“ oder „Da habe ich eine
andere Meinung“ oder „Das ist alles zeitbedingt“ oder „Ich glaube nur das, was
wesentlich ist“ und ich allein bestimme, was wesentlich ist und was nicht“ sind
allesamt Ideologie zur Verbrämung und zum Schönreden des kirchlichen Ungehorsams,
der, das ist wahr, eine Hauptursache dessen ist, was wir „die Krise der Kirche
nennen“. Reform? Ja, sie wird kommen durch diejenigen, die gehorsam sind, nicht
blind, nicht sklavisch, nicht als Unmündige, sondern als katholische Christen in
der Nachfolge dessen leben und gehorchen, der gehorsam war bis zum Tod am Kreuz.
Es ist ein Gehorsam der Freien in Christus, der letztlich immer nur Gott gilt,
von dem alle echte Autorität auf Erden herrührt. Eines ist dabei klar: Der
Gehorsam in der Kirche ist immer auch ein Gehorsam des Glaubens und auf Grund
des Glaubens, ohne den die Kirche ihre spezifische Autorität nicht hätte. Darum
hat auch der Pfarrer von St. Augustin (Wien) recht, der kürzlich sagte: Die
Krise der Kirche ist eine Krise des Glaubens bei Laien und Priestern!